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Uebersicht der Kunstausstellung.
Die öffentliche Ausstellung der Werke lebender Künst¬
ler, der Arbeiten von
Kunstschülern und Versuche von
Kunstliebhabern wurde heute den 4. Nov.
nach sechs¬
wöchentlicher Dauer, geschlossen. Erfreulich
war der 5
zahlreiche Besuch, die allgemeine Theilnahme aller
Klassen der Gesellschaft an diesem allgemein menschli¬
chen Genusse, der oft die geschiedensten
zu gemeinsa¬
mer
Anerkennung und Beurtheilung zusammenführte;
die Kunst
offuet
öffnet
sich eigne Wege von einem zum an¬10
dern, sie macht offenherzig und vertraulich. Wir lie¬
ßen diese Urtheile, die sich so unbefangen hervordräng¬
ten, nicht außer Acht; auch fanden wir
manche brave
Künstler mit Recht häufig, unter der Menge, um aus
dem beschränkten Urtheile der Freunde oder Gegner 15
zu der
allgemeinen Billigkeit zu gelangen und die An¬
forderungen der verschiedensten Naturen kennen
zu ler¬
nen. Es schien wirklich, als wenn der Fortschritt
nnd
und
das Ausgezeichnete der gelieferten Werke, vor den Aus¬
stellungen früherer
Jahre, dieses Wohlwollen und diese 20
Empfänglichkeit für Kunst, welche
sich unter den Zu¬
schauern äußerte, erweckt hatte; den Künstlern sei für
diese schöne Einwirkung, wie für jeden eigenen Ge¬
nuß hier ein öffentlicher allgemeiner Dank vorausge¬
bracht. Ohne uns bei den einzelnen Arbeiten, wie wir 25
wünschten, aufhalten zu können, wollen wir zur Ue¬
bersicht aufzeichnen, was das allgemeine Urtheil
aus¬
gezeichnet hat.
Allgemein war der Wunsch, das Bild
der
verehrten Königinn von geschickter Hand
ähnlich
bewahrt zu finden, unter verschiedenen, welche dieser 30
Wunsch hervorgebracht, wurde das Bild von vorgezogen,
ungeachtet es blos nach anderen
Bildern und nach dem Rathe verehrter
Angehörigen
der Verstorbenen gemahlt worden. Es übertrift un¬
leugbar alle Bilder, die wir von ihr zu sehen Gele¬35
genheit hatten, die Anmuth ihrer
Bewegungen, ihrer
Freundlichkeit veranlassen die Maler sehr leicht,
ganz
fremdartige Ideale in ihr darzustellen; doch ist es
nn¬
erklärlich,
un¬
erklärlich,
daß eine so allgemein bewunderte Königinn
[ 37 ] 144bei ihrem Leben nie von einem der besten Porträtma¬40
ler unsrer Zeit gemalt
worden. Schadows Johannes
zeigt mehr
Geschick und Wahrheit im Kolorit als
seine Bildnisse, überhaupt gewährt
aber sein jugend¬
liches Talent schöne Hoffnungen, die Rom ausbilden
mag. Die schönste Folge von Bildnissen lieferte 45
Büry, ein früherer Aufsatz in diesen Blättern hat
den
Sinn des
größesten
[liest ›großesten‹]
derselben von den beiden kunst¬
schätzenden Fürstinnen, die diese Ausstellung mit ih¬
ren Arbeiten geschmückt haben,
sehr gut gedeutet.
Mancher Tadel, den wir
gegen dieses schätzbare Bild 50
hörten, wäre verschwunden, wenn der Sinn
so klar
aus dem Anblicke, wie dort aus den Worten hervor¬
gegangen wäre; einzelne
Nachlässigkeiten in Neben¬
werken sind einem Meister wie Büry so leicht zu ver¬
bessern, daß wir sie hier nicht erwähnen mögen; die 55
Zusammenstellung der Figuren und die Zusammenfü¬
gung der Hände wurde als steif getadelt: der Künstler
suchte vielleicht Ernst und Festigkeit der
Verbindnng
Verbindung
eben darin auszudrücken. Die Meinung
als wäre es
in altdeutschem Style gemalt ist durchaus unbegründet.
60
Allgemein anerkannt war sein Bild der drei
Schweizer,
von aller modernen Effektwuth frei, erhebt es sich zu der
Würde älterer Kunstwerke, es ist nach unsrer Ueber¬
zeugung eins der besten Bilder, die seit
einem Jahr¬
hundert
gemalt sind. Die rechte Schulter des mittle¬65
ren Schweizers wurde von einigen für zu
niedrig ge¬
halten, doch
ließe sich wohl aus der Dicke der Zeuge,
die sich leicht erheben, diese
Ungleichheit erklären; an
ein Verzeichnen ist wohl bei etwas so
Sichtbarem nicht
zu denken, sondern besser scheints die Absicht des
Künst¬70
lers aufzusuchen. Hummels Bilder hängen mit den
Büryschen angenehm zusammen. Kretschmars Bild
eines sehr schönen Mädchens erregte
allgemeine Nach¬
frage
nach dem Originale, das wir aber nicht so glück¬
lich waren zu sehen, um zu beurtheilen, ob ihm ein 75
Theil dieser Auszeichnung zukommt. Wachs glück¬
liche Anlage, seine gute Wahl und Zierde in Umge¬
bungen mit Mauerwerk und
Blumen, zeigte sich schon
in mehreren Bildnissen, eine Madonna mit dem
Kinde
war noch vortheilhafter geschmückt; wir würden gegen 80
die Mutter gar nichts einzuwenden finden, wenn sie
keinen Heiligenschein hätte, das Kind aber ist offenbar
im Gesichte
zu weit ausgebildet; die älteren Maler
erreichten die Auszeichnung des
Christ Kindes viel bes¬
ser
durch Blick, Gesichtsausdruck oder Beschäftigung 85
z. B. mit dem Kreuze.
Weitsch hat ein reizendes
Gesicht zur Madonna gewählt, auch hat es einigen
145Ausdruck von Andacht, aber die Madonna muß über¬
haupt mehr als reizend und
andächtig sein, und in
einer so viel versuchten, ganz bestimmten
Aufgabe, an 90
der so ungeheure Vorarbeiter vorausgegangen, ist
die Leichtigkeit zu verwundern, mit der sich gute
Künstler an die Aufgabe machen, die ein ironischer
Brief in diesen
Blättern (B. 19.) recht artig darstell¬
te. Kügelchen’s Madonna in dem heiligen
Gruße 95
ist zu klein, um sie in dieser Hinsicht zu prüfen, viele
meinten sie allzu griechisch, andere zu feurig roth, wir
bemerken aber, daß die Mutter Gottes, ehe sie Mut¬
ter Gottes geworden, nur den jungfräulichen Aus¬
druck, aber nichts göttliches
erhält, und dieser ist al¬100
lerdings in jenem Bilde recht angenehm ausgedrückt,
das
mit der geheimnißvollen Gegenwart des Herrn
im Lichtkreuze, uns einen
eigenthümlichen Schauer
erweckt hat. Die
Behandlung der Farben ist in Kü¬
gelchen’s Bildern
ausgezeichnet, mit echtem alten 105
Fleiße sind alle, bis auf die
Nebenwerke, beendigt,
doch möchte der Wunsch zu glätten hin und
wieder,
besonders aber in den beiden treflichen Portraits, die¬
selbe Wirkung, wie die allzu
vereinzelte Ausführung
in Dennerschen Bildern hervor bringen, die Festig¬110
keit der größeren Gesichtsmassen verliert allzu
sehr
dabei. Dessen ungeachtet gehört
Wielands Bild zu den
wahrsten und treusten, welche irgend ein Künstler neue¬
rer Zeit gemacht hat. Sein
Hyacinth wäre sehr schön
wenn er allein, ohne den Gott, dargestellt
worden, 115
als ein Bild frühen gewaltsamen Todes; der fleischige
und doch steinerne Apollo gefiel nicht. Die
Arbeiten
des früh verstorbenen Ludwig, insbesondere das Bild
seiner Eltern, erhielten fast allgemeines Lob; freilich
gehört ein längerer Verkehr dazu, und eine häufigere 120
Wiederkehr in
guten Stunden, als es den meisten
Portraitmalern vergönnt ist, um
Bildnisse, wie die
ältere Deutsche, Holländische und Italiänische
Schule
sie zeigen, zu liefern, und wozu dieses Ludwigsche Fa¬
milienbild eine
Annäherung gewährt; auch würde 125
wohl kein Maler für diesen Fleiß einer
verhältmäßi¬
gen
Belohnung sich erfreuen können, denn es giebt
nur wenige Menschen, die
auf sich viel halten dürfen,
und sich der Zukunft bewahren
mögen.
(Die Fortsetzung
folgt.)130
Korrespondenz und Notizen.
Von dem Werk der
Fr. v. Stael, Lettres
sur l’Allemagne,
das nun, nach den öffentlichen Blättern, dem
Hrn. Esmenard, zu
Besorgung der nöthigen Veränderungen und Auslassungen, überge¬
146ben worden ist, wird es interessant sein, einige authentische Nach¬135
richten mitzutheilen.
Die Verf. welche, wie bekannt, mehrere Jahre
in Deutschland zubrachte, bemüht sich darin, auf eine eben so ein¬
dringende als beredte Art, das Streben
des deutschen Geistes dem
Auslande bekannt zu machen. Der Gesichtspunkt ist ein allgemein
europäischer;
gleichwohl erstreckt sich die Betrachtung auch, soviel es 140
der große
Umfang des Gegenstandes verstattet, ins Einzelne. Der
erste Theil handelt von den Sitten, dem Charakter und dem geselli¬
gen Leben der Deutschen;
der zweite von der Litteratur und vom
Theater; der dritte von der
Philosophie, Naturwissenschaft, Moral
und Religion. Jedes Talent vom ersten Range, aus der Vergan¬145
genheit sowohl als Gegenwart, wird
darin gewürdigt, die Richtung,
welche Wissenschaft, Kunst und
bürgerliches Leben davon empfangen
haben mögen, angegeben, alles Gute
und Vortreffliche, das in der
Anlage der Nation vorhanden sein mag,
mit einsichtsvollen Wohl¬
wollen, beschrieben und hervorgehoben. An
vergleichenden Blicken 150
auf andre Nationen fehlt es nicht, aber man
begreift leicht, daß die
Vf., welche selbst die eigenthümlichen
Vorzüge des französischen Gei¬
stes, schnelle Gegenwart, Klarheit und Gewandheit, in einem so ho¬
hen Grade besitzt, nicht
ungerecht dagegen wird gewesen sein. Mei¬
sterhaft ist der Gang der englischen und
französischen Philosophie von 155
Bacon an bis auf die Encyclopädisten verzeichnet. Die Vf. stellt ih¬
nen die
deutschen Schulen, Leibnitz, Kant und unsere neuesten Den¬
ker, als Gegensatz gegenüber und bemüht sich, die ganze
Wichtigkeit
des dadurch bewirkten Umschwungs der Gedanken zur
Anschauung
zu bringen.160
Miscellen.
Zu
Mercatella
Mercatello
im Distrikt Urbino hat man
neuerlich 26 Erd¬
stöße
verspürt, wovon 5 von äußerst traurigen Folgen gewesen sein
sollen.
Ein Soldat, der in
den Gefängnissen zu Torgau in Ketten 165
lag, ist halb von den Ratten aufgefressen, gefunden worden. Die¬
ser Unglückliche, da er seine Glieder nicht gebrauchen konnte, hat
sich gegen den Angrif dieser Thiere nicht vertheidigen können.
Man versichert,
daß der Kaiserl. Hof Fontainebleau am 5ten
Nov. verlassen werde.170
Auch in Ungarn, Slavonien und
im Bannat, werden Ver¬
suche gemacht werden, die Baumwolle
anzubauen.
Um die Masse des
Papiergeldes zu vermindern, soll, wie man
versichert, außer den
geistlichen Gütern, auch jetzt das Drittheil der
östr. Krongüter,
verkauft werden.175
Der Posten zu
Tarrazona (auf dem rechten Ufer des Ebro)
ist am 9 Oct. von einem Haufen
spanischer Insurgenten, ange¬
griffen; der Angrif aber siegreich zurückgeschlagen worden.
Am 26 Oct. Abends
gegen 10 Uhr ist, zwischen Königsbrück
und Camenz, die Leipziger Post, von
4 Räubern angefallen, und 180
ihr 4700 Thl. Geld entwendet worden.
Polizeiliche
Tages-Mittheilungen.
Bei dem gestrigen
Ballet im Schauspielhause: der Verein des
Tages
Tanzes
mit der Musik, hatte die Minerva nebst dem Knaben das Un¬
glück sammt der Glorie in welcher sie 12 bis
15 Fuß hoch über den 185
Boden schwebte herab zu fallen. Die Tänzerin, welche diese Rolle
machte ist an
einen Arme
[korrigiert in ›einem Arme‹]
und an
einen Fuße
[korrigiert in ›einem Fuße‹]
beschädigt, wird jedoch
nach der Meinung hinzugekommener Aerzte
in wenig Wochen voll¬
kommen hergestellt sein: der Knabe, Sohn eines Viktual. Händl.
ist gar nicht beschädigt. Die Veranlassung des
Unfalls gab das Ab¬190
springen des die Glorie haltenden Hauptseils von der Welle, auf
die es gerollt war. Der Zimmergesell, der die
Glorie regierte, ist ver¬
haftet. Da eine Stellvertreterin der Tänzerin
nicht sogleich geschaft
werden konnte, so konnte die Vorstellung nicht
fortgesetzt werden.