Penthesilea
Königinn der Amazonen
Asteria
Fürstinn der Amazonen
Meroe
Fürstinn der Amazonen
Prothoe
Fürstinn der Amazonen
Die Ober-Priesterinn der
Diana
Antilochus
König des Griechenvolks
Odysseus
König des Griechenvolks
Achilles
König des Griechenvolks
Diomedes
König des Griechenvolks
Griechen
Amazonen
Griechen
Doloper
Hauptmann
Myrmidonier
Stimmen
Ätolier
Automedon
Erste Grieche
Zweite Grieche
Grieche
Grieche
Griechenfürst
Herold
Amazonen
Alle
Amazonenheer
Amazone
Heer Amazonen
Erste Amazone
Zweite Amazone
Dritte Amazone
Drei Amazonen
Vierte Amazone
Fünfte Amazone
Sechste Amazone
Siebente Amazone
Achte Amazone
Hauptmänninn
Oberste
Erste Oberste
Zweite Oberste
Dritte Oberste
Fürstinnen
Andere Fürstinn
Fürstinn
Amazonenfürstinn
Mädchen
Erstes Mädchen
Zweytes Mädchen
Drittes Mädchen
Viertes Mädchen
Mädchen
Jungfrau
Andere
Chor
Frauen
Mehrere frauen
Trägerinn
Priesterinnen
Erste Priesterinn
Zweite
Priesterinn
Erste Priesterinn
Priesterinn
Priesterinnen
Priesterinnen
und Amazonen
3
Erster Auftritt.
Odysseus und Diomedes (von der
einen Seite)
An tilochus
(von der andern) Gefolge (treten
auf.)
Antilochus.
Seyd mir gegrüßt, ihr Könige!
Wie geht’s,/
Seit
Das ›S‹ in ›Seit‹ ist
kursiv gesetzt. Auf eine entspr. Wiedergabe wird
verzichtet. wir zuletzt bei Troja uns gesehn?/
Odysseus.
Schlecht, Antiloch. Du siehst auf diesen
Feldern,/
Der Griechen und der Amazonen Heer,/
Wie zwei erboste Wölfe sich umkämpfen:/
Beim Jupiter! sie wissen nicht warum?/
Wenn Mars entrüstet, oder Delius,/
Den Stecken nicht ergreift, der Wolkenrüttler/
Mit Donnerkeilen nicht dazwischen wettert:/
Todt sinken die Verbißnen heut noch nieder,/ 10
Des einen Zahn im Schlund des anderen. —/
Schafft einen Helm mit Wasser!
Antilochus.
Element!
/
Was wollen diese Amazonen uns?/
4
Odysseus.
Wir zogen aus, auf des Atriden Rath,/
Mit der gesammten Schaar der
Myrmidonen,
/
Achill und ich; Penthesilea, hieß es,/
Sei in den scyth’schen Wäldern aufgestanden,/
Und führ’ ein Heer, bedeckt mit
Schlangenhäuten,/
Von Amazonen, heißer Kampflust voll,/
Durch der Gebirge Windungen heran,/ 20
Den Priamus in Troja zu entsetzen./
Am Ufer des Skamandros hören wir,/
Deiphobus auch, der Priamide, sei/
Aus Ilium mit einer Schaar gezogen;/
Die Königinn, die ihm mit Hülfe naht,/
Nach Freundesart zu grüßen. Wir verschlingen/
Die Straße jetzt, uns zwischen dieser Gegner/
Heillosem Bündniß wehrend aufzupflanzen;/
Die ganze Nacht durch windet sich der Zug./
Doch, bei des Morgens erster Dämmerröthe,/ 30
Welch ein Erstaunen faßt’ uns, Antiloch,/
Da wir, in einem weiten Thal vor uns,/
Mit des Deiphobus Iliern im Kampf/
Die Amazonen sehn! Penthesilea,/
Wie Sturmwind ein zerrissenes Gewölk,/
Weht der Trojaner Reihen vor sich her,/
Als gält es über’n Hellespont hinaus,/
Hinweg vom Rund der Erde sie zu blasen./
Antilochus.
Seltsam, bei unserm Gott!
Odysseus.
Wir
sammeln uns,/
Der Trojer Flucht, die wetternd auf uns ein,/ 40
Gleich einem Anfall keilt, zu widerstehen,/
5
Und dicht zur Mauer drängen wir die Spieße./
Auf
diesen Anblick stutzt der Priamide;/
Und wir, im kurzen Rath beschließen, gleich,/
Die Amazonenfürstinn zu begrüßen:/
Sie auch hat ihren Siegeslauf gehemmt./
War je ein Rath einfältiger und besser?/
Hätt’ ihn Athenä, wenn ich sie befragt,/
In’s Ohr verständiger mir flüstern können?/
Sie muß, beim Hades! diese Jungfrau, doch,/ 50
Die wie vom Himmel plötzlich, kampfgerüstet,/
In unsern Streit fällt, sich darin zu
mischen,/
Sie muß zu Einer der Parthein sich schlagen;/
Und uns die Freundinn müssen wir sie glauben,/
Da sie sich
Teukrischen
die Feindinn zeigt./
Antilochus.
Was sonst, beim Styx! Nichts anders giebt’s.
Odysseus.
Nun
gut./
Wir finden sie, die Heldinn Scythiens,/
Achill und ich — in kriegerischer Feier/
An ihrer Jungfraun Spitze aufgepflanzt,/
Geschürzt, der Helmbusch wallt ihr von der
Scheitel,
/ 60
Und seine Gold- und Purpurtroddeln regend,/
Zerstampft ihr Zelter unter ihr den Grund./
Gedankenvoll, auf einen Augenblick,/
Sieht sie in unsre Schaar, von Ausdruck leer,/
Als ob in Stein gehau’n wir vor ihr stünden;/
Hier diese flache Hand, versichr’ ich dich,/
Ist ausdrucksvoller als ihr Angesicht:/
Bis jetzt ihr Aug auf den Peliden trifft:/
Und Glut ihr plötzlich, bis zum Hals hinab,/
6
Das Antlitz färbt, als schlüge rings um ihr/ 70
Die Welt in helle Flammenlohe auf./
Sie schwingt, mit einer zuckenden Bewegung,/
— Und einen finstern Blick wirft sie auf ihn
—/
Vom Rücken sich des Pferds herab, und fragt,/
Die Zügel einer Dien’rinn überliefernd,/
Was uns, in solchem Prachtzug, zu ihr führe./
Ich jetzt, wie wir Argiver hoch erfreut,/
Auf eine Feindinn des Dardanervolks zu
stoßen;/
Was für ein Haß den Priamiden längst/
Entbrannt sei in der Griechen Brust, wie
nützlich,/ 80
So ihr, wie uns, ein Bündniß würde sein;/
Und was der Augenblick noch sonst mir beut:/
Doch mit Erstaunen, in dem Fluß der Rede,/
Bemerk’ ich, daß sie mich nicht hört. Sie
wendet,/
Mit einem Ausdruck der Verwunderung,/
Gleich einem sechzehnjähr’gen Mädchen
plötzlich,/
Das von olymp’schen Spielen wiederkehrt,/
Zu einer Freundinn, ihr zur Seite sich,/
Und ruft: solch einem Mann, o Prothoe, ist/
Otrere, meine Mutter, nie begegnet!/ 90
Die Freundinn, auf dies Wort betreten,
schweigt,/
Achill und ich, wir sehn uns lächelnd an,/
Sie ruht, sie selbst, mit trunk’nem Blick schon
wieder
/
Auf des Äginers schimmernde Gestalt:/
Bis jen’ ihr schüchtern naht, und sie
erinnert,/
Daß sie mir noch die Antwort schuldig sei./
Drauf mit der
Wangen Roth, war’s Wuth, war’s Schaam,
Für den Satzspiegel
des Erstdrucks ist der Vers zu lang. Üblicherweise wird im
Erstdruck in diesem Fall der Vers umbrochen und der
Versüberhang eingerückt in eine neue Zeile gesetzt (vgl.
Vers 93). Da aber der vertikale Keil des Satzspiegels
keine zusätzliche Zeile mehr ermöglichte, hat der Setzer
sich damit ›beholfen‹, die Wortabstände im Vers zu
minimieren und dann ganz aufzulösen. Auf eine
entsprechende Darstellung wird hier verzichtet.
/
Die Rüstung wieder bis zum Gurt sich färbend,/
Verwirrt und stolz und wild zugleich: sie sei/
Penthesilea, kehrt sie sich zu mir,/ 100
Der Amazonen Königinn, und werde/
Aus Köchern mir die Antwort übersenden!/
7
Antilochus.
So, Wort für Wort, der Bote, den du
sandtest;/
Doch keiner in dem ganzen Griechenlager,/
Der ihn begriff.
Odysseus.
Hierauf
unwissend jetzt,/
Was wir von diesem Auftritt denken sollen,/
In grimmiger Beschämung gehn wir heim,/
Und sehn die Teukrischen, die unsre Schmach/
Von fern her, die hohnlächelnden, errathen,/
Wie im Triumph sich sammeln. Sie
beschließen/ 110
Im Wahn, sie seien die Begünstigten,/
Und nur ein Irrthum, der sich lösen müsse,/
Sei
Emendiert in ›Sei‹ entspr. ›Verbesserungen‹ an dem Zorn der Amazone
Schuld,/
Schnell ihr, durch einen Herold, Herz und
Hand,/
Die sie verschmäht, von neuem anzutragen./
Doch eh’ der Bote, den sie senden wollen,/
Den Staub noch von der Rüstung
abgeschüttelt,/
Stürzt die Kenthaurinn, mit verhängtem
Zügel,/
Auf sie und uns schon, Griech’ und Trojer,
ein,/
Mit eines Waldstroms wüthendem Erguß/ 120
Die Einen, wie die Andern, niederbrausend./
Antilochus.
Ganz unerhört, ihr Danaer!
Odysseus.
Jetzt
hebt/
Ein Kampf an, wie er, seit die Furien
walten,/
Noch nicht gekämpft ward auf der Erde
Rücken./
So viel ich weiß, giebt es in der Natur/
Kraft blos und ihren Widerstand, nichts
Drittes./
Was Glut des Feuers löscht, lös’t Wasser
siedend/
8
Zu Dampf nicht auf und umgekehrt. Doch hier/
Zeigt ein ergrimmter Feind von beiden sich,/
Bei dessen Eintritt nicht das Feuer weiß,/ 130
Ob’s mit dem Wasser rieseln soll, das Wasser/
Ob’s mit dem Feuer himmelan soll lecken./
Der Trojer wirft, gedrängt von Amazonen,/
Sich hinter eines Griechen Schild, der
Grieche/
Befreit ihn von der Jungfrau, die ihn
drängte,/
Und Griech’ und Trojer müssen jetzt sich
fast,/
Dem Raub der Helena zu Trotz, vereinen,/
Um dem gemeinen Feinde zu begegnen./
(Ein Grieche bringt ihm Wasser.)
Dank! Meine Zunge lechzt.
Diomedes.
Seit
jenem Tage/
Grollt über dieser Ebne unverrückt/ 140
Die Schlacht, mit immer reger Wuth, wie ein/
Gewitter, zwischen waldgekrönter Felsen
Gipfeln/
Geklemmt. Als ich mit den Ätoliern gestern/
Erschien, der unsern Reihen zu verstärken,/
Schlug sie mit Donnerkrachen eben ein,/
Als wollte sie den ganzen Griechenstamm/
Bis auf den Grund, die Wüthende, zerspalten./
Der Krone ganze Blüthe liegt, Ariston,/
Astyanax, von Sturm herabgerüttelt,/
Menandros, auf dem Schlachtfeld da, den
Lorbeer,/ 150
Mit ihren jungen, schönen Leibern groß,/
Für diese kühne Tochter Ares, düngend./
Mehr der Gefangnen siegreich nahm sie schon,/
Als sie uns Augen, sie zu missen, Arme,/
Sie wieder zu befrein, uns übrig ließ./
Antilochus.
Und Niemand kann, was sie uns
will
will, [emendiert]
ergründen?/
9
Diomedes.
Kein Mensch, das eben ist’s: wohin wir
spähend/
Auch des Gedankens Senkblei fallen lassen./
— Oft, aus der sonderbaren Wuth zu
schließen,/
Mit welcher sie, im Kampfgewühl, den Sohn/ 160
Der Thetis sucht, scheint’s uns, als ob ein
Haß/
Persönlich wider ihn die Brust ihr füllte./
So folgt, so hungerheiß, die Wölfinn nicht,/
Durch Wälder, die der Schnee bedeckt, der
Beute,/
Die sich ihr Auge grimmig auserkohr,/
Als sie, durch unsre Schlachtreihn, dem
Achill./
Doch jüngst, in einem Augenblick, da schon/
Sein Leben war in ihre Macht gegeben,/
Gab sie es lächelnd, ein Geschenk, ihm
wieder:/
Er stieg zum Orkus, wenn sie ihn nicht
hielt./ 170
Antilochus.
Wie? Wenn ihn wer? Die Königinn?
Diomedes.
Sie
selbst!/
Denn als sie, um die Abenddämmrung gestern,/
Im Kampf, Penthesilea und Achill,/
Einander trafen, stürmt Deiphobus her,/
Und auf der Jungfrau Seite hingestellt,/
Der Teukrische, trifft er dem Peleïden/
Mit einem tück’schen Schlag die Rüstung
prasselnd,/
Daß rings der Ormen Wipfel wiederhallten./
Die Königinn, entfärbt, läßt zwei Minuten/
Die Arme sinken: und die Locken dann/ 180
Entrüstet um entflammte Wangen schüttelnd,/
Hebt sie vom Pferdes-Rücken hoch sich auf,/
Und senkt, wie aus dem Firmament geholt,/
Das Schwerdt ihm wetterstrahlend in den
Hals,/
10
Daß er zu Füssen hin, der Unberufne,/
Dem Sohn, dem göttlichen, der Thetis rollt./
Er jetzt, zum Dank, will ihr, der Peleïde,/
Ein Gleiches thun; doch sie bis auf
den
Hals/
Gebückt, den mähnumflossenen, des Schecken,/
Der, in dem Goldzaum beißend, sich
herumwirft,/ 190
Weicht seinem Mordhieb aus, und schießt die
Zügel,
/
Und sieht sich um, und lächelt, und ist
fort./
Antilochus.
Ganz wunderbar!
Odysseus.
Was
bringst du uns von Troja?/
Antilochus.
Mich sendet Agamemnon her, und fragt dich,/
Ob Klugheit nicht, bei so gewandelten/
Verhältnissen, den Rückzug dir gebiete./
Uns gelt’ es Iliums Mauern einzustürzen,/
Nicht einer freien Fürstinn Heereszug,/
Nach einem uns gleichgült’gen Ziel, zu
stören./
Falls du daher Gewißheit dir verschafft,/ 200
Daß nicht mit Hülfe der Dardanerburg/
Penthesilea naht, woll’ er, daß ihr/
Sogleich, um welchen Preis gleichviel, euch
wieder
/
In die argivische Verschanzung werft./
Verfolgt sie euch, so werd’ er, der Atride,/
Dann an des Heeres Spitze selber sehn,/
Wozu sich diese räthselhafte Sphinx/
Im Angesicht von Troja wird entscheiden./
11
Odysseus.
Beim Jupiter! Der Meinung bin ich auch./
Meint ihr, daß der Laertiade sich/ 210
In diesem sinnentblößten Kampf gefällt?/
Schafft den Peliden weg von diesem Platze!/
Denn wie die Dogg’ entkoppelt, mit Geheul/
In das Geweih des Hirsches fällt: der Jäger,/
Erfüllt von Sorge, lockt und ruft sie ab;/
Jedoch verbissen in des Prachtthiers Nacken,/
Tanzt sie durch Berge neben ihm, und Ströme,/
Fern in des Waldes Nacht hinein: so er,/
Der Rasende, seit
in
der Forst des Krieges/
Dieß Wild sich von so seltner Art, ihm
zeigte./ 220
Durchbort mit einem Pfeilschuß, ihn zu
fesseln,/
Die Schenkel ihm: er weicht, so schwört er,
eher/
Von dieser Amazone Ferse nicht,/
Bis er bei ihren seidnen Haaren sie/
Von dem gefleckten Tiegerpferd gerissen./
Versuch’s, o Antiloch, wenn’s dir beliebt/
Und sieh’, was deine rednerische Kunst,/
Wenn seine Lippe schäumt, bei ihm vermag./
Diomedes.
Laßt uns vereint, ihr Könige, noch einmal/
Vernunft keilförmig, mit Gelassenheit,/ 230
Auf seine rasende Entschließung setzen./
Du wirst, erfindungsreicher Larissäer,/
Den Riß schon, den er beut, zu finden
wissen./
Weicht er dir nicht, wohlan, so will ich ihn/
Mit zwei Ätoliern auf den Rücken nehmen,/
Und einem Klotz gleich, weil der Sinn ihm
fehlt,/
In dem Argiverlager niederwerfen./
Ulysses.
Folgt mir!
12
Antilochus.
Nun? Wer
auch eilt uns dort heran?/
Diomedes.
Es ist Adrast. So bleich und so verstöhrt./
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Ein Hauptmann.
(tritt auf)
Odysseus.
Was bringst du?
Diomedes.
Botschaft?
Der Hauptmann.
Euch
die ödeste,/ 240
Die euer Ohr noch je vernahm.
Diomedes.
Wie?
Odysseus.
Rede!
/
Der Hauptmann.
Achill — ist in der Amazonen Händen,/
Und Pergams Mauern fallen jezt nicht um./
Diomedes.
Ihr Götter, ihr olympischen!
Odysseus.
Unglücksbote!
/
13
Antilochus.
Wann trug, wo, das Entsetzliche sich zu?/
Der Hauptmann.
Ein neuer Anfall, heiß, wie
Wetterstrahl ,/
Schmolz, dieser wutherfüllten
Mavorstöchter ,/
Rings der Ätolier wackre
Reihen hin,/
Auf
uns, wie Wassersturz, hernieder sie,/
Die unbesiegten Myrmidonier, gießend./ 250
Vergebens drängen wir dem Fluchtgewog/
Entgegen uns: in wilder Überschwemmung/
Reißt’s uns vom Kampfplatz strudelnd mit sich
fort:/
Und eher nicht vermögen wir
den
Fuß,/
Als fern von
dem
Peliden fest zu setzen./
Erst jetzo wickelt er, umstarrt von
Spießen,/
Sich aus der Nacht des Kampfes los, er rollt/
Von eines Hügels Spitze scheu herab,/
Auf uns kehrt glücklich sich
sein
Lauf, wir senden/
Aufjauchzend ihm den Rettungsgruß schon zu:/ 260
Doch es erstirbt der Laut im Busen uns,/
Da plötzlich jetzt sein Viergespann zurück/
Vor einem Abgrund stutzt, und hoch aus
Wolken/
In grause Tiefe bäumend niederschaut./
Vergebens jetzt, in der er Meister ist,/
Des
Isthmus
ganze vielgeübte Kunst:
Emendiert in ›Isthmus‹ entspr. ›Verbesserungen‹.
/
Das
Roßgeschwader wendet, das erschrockne,/
Die Häupter rückwärts in die Geißelhiebe,/
Und im verworrenen Geschirre fallend,/
Zum Chaos, Pferd’ und Wagen, eingestürzt,/ 270
Liegt unser Göttersohn, mit seinem Fuhrwerk,/
Wie in der Schlinge eingefangen da./
Antilochus.
Der Rasende! Wohin treibt ihn — ?
14
Der Hauptmann.
Es
stürzt/
Automedon, des Fahrzeugs rüst’ger Lenker,/
In die Verwirrung hurtig sich der Rosse:/
Er hilft dem Viergekoppel wieder auf./
Doch eh’ er noch aus allen Knoten rings/
Die Schenkel, die verwickelten, gelös’t,/
Sprengt schon die Königinn, mit einem
Schwarm/
Siegreicher Amazonen, ins Geklüft,/ 280
Jedweden Weg zur Rettung ihm versperrend./
Antilochus.
Ihr Himmlischen!
Der Hauptmann.
Sie
hemmt, Staub rings umqualmt sie,/
Des Zelters flücht’gen Lauf, und hoch zum
Gipfel/
Das Angesicht, das funkelnde, gekehrt,/
Mißt sie,
auf
einen Augenblick, die Wand:/
Der Helmbusch selbst, als
ob er sich entsetzte,/
Reißt bei der Scheitel sie von hinten
nieder./
Drauf plötzlich jetzt legt sie die Zügel
weg:/
Man sieht, gleich einer Schwindelnden, sie
hastig/
Die Stirn, von einer Lockenfluth umwallt,/ 290
In ihre beiden kleinen Hände drücken./
Bestürzt, bei diesem sonderbaren Anblick,/
Umwimmeln alle Jungfraun sie, mit heiß/
Eindringlicher Gebährde sie beschwörend;/
Die Eine, die
zunächst
verwandt ihr scheint,/
Schlingt ihren Arm um sie, indeß die Andre/
Entschloßner noch, des Pferdes Zügel
greift:/
Man will den Fortschritt mit Gewalt ihr
wehren,/
Doch sie —
15
Diomedes.
Wie? wagt sie es?
Antilochus.
Nein, sprich!
Der Hauptmann.
Ihr
hörts./
Umsonst sind die Versuche, sie zu halten,/ 300
Sie drängt mit sanfter Macht von beiden
Seiten/
Die Fraun hinweg, und im unruh’gen Trabe/
An dem Geklüfte auf und nieder streifend,/
Sucht sie, ob nicht ein schmaler Pfad sich
biete/
Für einen Wunsch, der keine Flügel hat;/
Drauf jetzt, gleich einer Rasenden, sieht
man/
Empor sie an des Felsens Wände klimmen,/
Jetzt hier, in glühender Begier, jetzt dort,/
Unsinn’ger Hoffnung voll, auf diesem Wege/
Die Beute, die im Garn liegt, zu erhaschen./ 310
Jetzt hat sie jeden sanftern Riß versucht,/
Den sich im Fels der Regen ausgewaschen;/
Der Absturz ist, sie sieht es,
unersteiglich;/
Doch, wie beraubt des Urtheils, kehrt sie
um,/
Und fängt, als wär’s von vorn, zu klettern
an./
Und schwingt, die Unverdrossene, sich
wirklich/
Auf Pfaden, die des Wandrers Fußtritt
scheut,/
Schwingt sich des Gipfels höchstem Rande
näher/
Um einer Orme Höh; und da
sie jetzt auf einem/
Granitblock steht, von nicht mehr
Flächenraum/ 320
Als eine Gemse sich zu halten braucht;/
Von ragendem Geklüfte rings geschreckt,/
Den Schritt nicht vorwärts mehr, nicht rückwärts
wagt;
/
Der Weiber Angstgeschrei durchkreischt die
Luft:/
16
Stürzt sie
urplötzlich,
Roß und Reuterinn,/
Von los sich lösendem Gestein umprasselt,/
Als ob sie in den Orkus führe, schmetternd/
Bis an des Felsens tiefsten Fuß zurück,/
Und bricht den Hals sich nicht und lernt auch
nichts:/
Sie rafft sich bloß zu neuem Klimmen auf./ 330
Antilochus.
Seht die Hyäne, die blind-wüthende!/
Odysseus.
Nun? Und Automedon?
Der Hauptmann.
Er
endlich schwingt,/
Das Fahrzeug steht, die Rosse auch, geordnet
—/
— Hephästos hätt’ in so
viel Zeit fast neu/
Den ganzen erznen Wagen schmieden können —/
Er schwingt dem Sitz sich zu, und greift die
Zügel:/
Ein Stein fällt uns Argivern von der Brust./
Doch eben jezt, da er die Pferde wendet,/
Erspähn die Amazonen einen Pfad,/
Dem Gipfel sanfthin zugeführt, und rufen,/ 340
Das Thal rings mit Geschrei des Jubels
füllend,/
Die Königinn dahin, die sinnberaubte,/
Die
immer noch des Felsens Sturz versucht./
Sie, auf dies Wort, das Roß zurücke
werfend,/
Rasch einen Blick den Pfad schickt sie
hinan;/
Und dem gestreckten
Parder gleich, folgt sie/
Dem Blick auch auf
den
dem [emendiert]
dem [emendiert. Bei [MA] alle Emendationen
ohne Hinweis in Kommentar.]
Fuß: er, der Pelide,/
Entwich zwar mit den Rossen, rückwärts
strebend;
strebend?
strebend?
/
Doch in den Gründen bald verschwand er mir,/
Und was aus ihm geworden, weiß ich nicht./ 350
17
Antilochus.
Verloren ist er!
Diomedes.
Auf!
Was thun wir, Freunde?/
Odysseus.
Was unser Herz, ihr Könige, gebeut!/
Auf! laßt uns ihn der Königinn entreißen!/
Gilt’s einen Kampf um ihn auf Tod und Leben:/
Den Kampf bei den Atriden
fecht’ ich aus./
Odysseus, Diomedes, Antilochus (ab.)
Dritter Auftritt.
Der Hauptmann.
Eine Schaar von
Griechen. (welche während dessen
einen Hügel bestiegen haben).
Ein Myrmidonier.
(in die Gegend schauend.)
Seht! Steigt dort über jenes Berges Rücken,/
Ein Haupt nicht, ein bewaffnetes, empor?/
Ein Helm, von Federbüschen überschattet?/
Der Nacken schon, der mächt’ge, der es
trägt?/
Die Schultern auch, die Arme, stahlumglänzt?/ 360
Das ganze Brustgebild, o seht doch, Freunde,/
Bis wo den Leib der gold’ne Gurt
umschließt?/
Der Hauptmann.
Ha! Wessen!
Der Myrmidonier.
Wessen!
Träum’ ich, ihr Argiver?/
18
Seite 18 im
Erstdruck fälschlich als Seite ›81‹ paginiert.
Die Häupter sieht man schon, geschmückt mit
Blessen,
/
Des Roßgespanns! Nur noch die Schenkel
sind,/
Die Hufen, von der Höhe Rand bedeckt!/
Jetzt, auf dem Horizonte, steht das ganze/
Kriegsfahrzeug da! So geht die Sonne
prachtvoll/
An einem heitern Frühlingstage auf!/
Die Griechen.
Triumph! Achilleus ist’s! Der Göttersohn!/ 370
Selbst die Quadriga
führet er heran!/
Er ist gerettet!
Der Hauptmann.
Ihr
Olympischen !/
So sei euch ew’ger Ruhm gegönnt! — Odysseus!/
— Flieg Einer den argol’schen
Fürsten nach!/
(Ein Grieche schnell ab.)
Naht er sich uns, ihr
Danaer ?
Der Myrmidonier.
O
sieh!/
Der Hauptmann.
Was giebt’s?
Der Myrmidonier.
O mir
vergeht der Athem, Hauptmann!/
Der Hauptmann.
So rede, sprich!
Der Myrmidonier.
O, wie
er mit der Linken/
19
Vor über
seiner Rosse Rücken geht!/
Wie er die Geißel umschwingt über sie!/
Wie sie von ihrem bloßen Klang erregt,/ 380
Der Erde Grund, die göttlichen, zerstampfen!/
Am Zügel zieh’n sie, beim Lebendigen,/
Mit ihrer Schlünde Dampf, das Fahrzeug fort!/
Gehetzter Hirsche Flug ist schneller nicht!/
Der Blick drängt unzerknickt sich durch die
Räder,/
Zur Scheibe fliegend eingedreht, nicht hin!/
Ein Ätolier.
Doch hinter ihm —
Der Hauptmann.
Was?
Der Myrmidonier.
An des
Berges Saum —/
Der Ätolier.
Staub —
Der Myrmidonier.
Staub
aufqualmend, wie Gewitterwolken:/
Und, wie der Blitz vorzuckt —
Der Ätolier.
Ihr
ew’gen Götter!/
Der Myrmidonier.
Penthesilea.
Der Hauptmann.
Wer?
20
Der Ätolier.
Die
Königinn! —/ 390
Ihm auf dem Fuß, dem Peleïden, schon/
Mit ihrem ganzen Troß von Weibern folgend./
Der Hauptmann.
Die rasende Megär’ !
Die
Griechen.
(rufend)
Hieher
der Lauf!/
Hieher den Lauf, du göttlicher gerichtet!/
Auf uns den Lauf!
Der Ätolier.
Seht!
wie sie mit den Schenkeln/
Des Tiegers Leib
inbrünstiglich umarmt!/
Wie sie, bis auf die Mähn’ herabgebeugt,/
Hinweg die Luft trinkt lechzend, die sie
hemmt!/
Sie fliegt, wie von der Senne abgeschossen:/
Numidsche Pfeile sind
nicht hurtiger!/ 400
Das Heer bleibt keuchend, hinter ihr, wie
Köter,/
Wenn sich ganz aus die Dogge streckt,
zurück!/
Kaum daß ihr Federbusch ihr folgen kann!/
Der Hauptmann.
So naht sie ihm?
Ein Doloper.
Naht ihm!
Der Myrmidonier.
Naht
ihm noch nicht!/
Der Doloper.
Naht ihm, ihr Danaer! Mit jedem Hufschlag,/
21
Schlingt sie, wie hungerheiß, ein Stück des
Weges,/
Der sie von
dem
Peliden trennt, hinunter!/
Der Myrmidonier.
Bei allen hohen Göttern, die uns schützen!/
Sie wächst zu seiner Größe schon heran!/
Sie athmet schon, zurückgeführt vom Winde,/ 410
Den Staub, den säumend seine Fahrt erregt!/
Der rasche Zelter wirft, auf
den
dem [emendiert]
dem [emendiert]
[BKA], [MA] emendieren in ›dem‹, [DKV] und [Recl;Port]
emendieren nicht. Um 1800 war die Akkusativform durchaus
gebräuchlich, deshalb wird auch hier nicht
emendiert. sie reitet,/
Erdschollen, aufgewühlt von seiner Flucht,/
Schon in die Muschel seines Wagens hin!/
Der Ätolier.
Und jetzt — der Übermüth’ge! Rasende!/
Er lenkt im Bogen spielend noch! Gieb Acht:/
Die Amazone wird die Sehne nehmen./
Siehst du? Sie schneidet ihm den Lauf —
Der Myrmidonier.
Hilf!
Zevs!/
An seiner Seite fliegt sie schon! Ihr
Schatten,/
Groß, wie ein Riese, in der Morgensonne,/ 420
Erschlägt ihn schon!
Der
Ätolier.
Doch
jetzt urplötzlich reißt er —/
Der Doloper.
Das ganze Roßgeschwader reißt er plötzlich/
Zur Seit’ herum!
Der Ätolier.
Zu uns
her fliegt er wieder!/
22
Der Myrmidonier.
Ha! Der Verschlagne! Er betrog sie —
Der Doloper.
Hui!
/
Wie sie, die Unaufhaltsame, vorbei/
Schießt an dem Fuhrwerk —
Der Myrmidonier.
Prellt,
im Sattel fliegt,/
Und stolpert —
Der Doloper.
Stürzt!
Der Hauptmann.
Was?
Der Myrmidonier.
Stürzt,
die Königinn!/
Und eine Jungfrau blindhin über sie —/
Der Doloper.
Und Eine noch —
Der Myrmidonier.
Und wieder —
Der Doloper.
Und
noch Eine —/
Der Hauptmann.
Ha! Stürzen, Freunde?
Der Doloper.
Stürzen —
23
Der Myrmidonier.
Stürzen, Hauptmann,/ 430
Wie in der Feueresse
eingeschmelzt,/
Zum Haufen, Roß und Reut’rinnen, zusammen!/
Der Hauptmann.
Daß sie zu Asche würden!
Der Doloper.
Staub
ringsum,/
Vom Glanz der Rüstungen durchzuckt und
Waffen:/
Das Aug’ erkennt nichts mehr, wie scharf es
sieht./
Ein Knäuel, ein verworrener, von Jungfraun/
Durchwebt von Rossen bunt: das Chaos war,/
Das erst’, aus dem die Welt sprang,
deutlicher./
Der Ätolier.
Doch jetzt — ein Wind erhebt sich; Tag wird
es,/
Und eine der Gestürzten rafft sich auf./ 440
Der Doloper.
Ha! Wie sich das Gewimmel lustig regt!/
Wie sie die Spieße sich, die Helme, suchen,/
Die weithin auf das Feld geschleuderten!/
Der Myrmidonier.
Drei Rosse noch, und eine Reuterinn, liegen/
Gestreckt wie todt —
Der Hauptmann.
Ist das
die Königinn?/
Der Ätolier.
Penthesilea, fragst du?
24
Der Myrmidonier.
Ob’s
die Königinn?/
— Daß mir den Dienst die Augen weigerten!/
Dort steht sie!
Der Doloper.
Wo?
Der Hauptmann.
Nein, sprich!
Der Myrmidonier.
Dort,
beim Kroniden ,/
Wo sie gestürzt: in jener Eiche Schatten!/
An ihres Pferdes Nacken hält sie sich,/ 450
Das Haupt entblößt — seht ihr den Helm am
Boden?/
Die Locken schwachhin mit der Rechten
greifend,/
Wischt sie, ist’s Staub, ist’s Blut, sich von
der Stirn./
Der Doloper.
Bei Gott, sie ist’s!
Der Hauptmann.
Die
Unverwüstliche!/
Der Ätolier.
Die Katze, die so stürzt, verreckt; nicht
sie!/
Der Hauptmann.
Und der Pelid’?
Der Doloper.
Ihn
schützen alle Götter!/
Um drei Pfeilschüsse flog er fort und
drüber!/
Kaum mehr mit Blicken kann sie ihn
erreichen,/
25
Und der Gedanke selbst, der strebende,/
Macht ihr im athemlosen Busen: halt!/ 460
Der
Myrmidonier.
Triumph! Dort trit Odysseus jetzt hervor!/
Das ganze Griechenheer, im Strahl der Sonne,/
Trit plötzlich aus des Waldes Nacht hervor!/
Der Hauptmann.
Odyß? Und Diomed auch? O ihr Götter!/
— Wie weit noch in dem Feld ist er zurück?/
Der Doloper.
Kaum einen Steinwurf, Hauptmann! Sein
Gespann/
Fliegt auf die Höhen am
Skamandros schon,/
Wo sich das Heer raschhin am Rande ordnet./
Die Reih’n schon wettert er entlang —
Stimmen.
(aus der Ferne)
Heil
dir!/
Der Doloper.
Sie rufen, die Argiver, ihm —
Stimmen.
Heil
dir!/ 470
Achill! Heil dir, Pelide! Göttersohn!/
Heil dir! Heil dir! Heil dir!
Der Doloper.
Er
hemmt den Lauf!/
Vor den versammelten Argiverfürsten/
Hemmt er den Lauf! Odysseus naht sich ihm!/
Vom Sitz springt er, der Staubbedeckte,
nieder!/
26
Die Zügel giebt er weg! Er wendet sich!/
Er nimmt den Helm ab, der sein Haupt
beschwert!/
Und alle Könige umringen ihn!/
Die Griechen reißen ihn, die jauchzenden,/
Um seine Knie wimmelnd, mit sich fort:/ 480
Indeß Automedon die Rosse schrittweis,/
Die dampfenden, an seiner Seite führt!/
Hier wälzt der ganze Jubelzug sich schon/
Auf uns heran! Heil dir! du Göttlicher!/
O seht doch her, seht her — Da ist er schon!/
Vierter Auftritt.
Achilles (ihm
folgen) Odysseus,
Diomedes,
An tilochus,
Automedon (mit der
Quadriga ihm zur Seite) das Heer der
Griechen.
Odysseus.
Sei mir, Äginerheld, aus heißer Brust/
Gegrüßt! Du Sieger auch noch in der Flucht!/
Beim Jupiter! Wenn hinter deinem Rücken,/
Durch deines Geistes Obmacht über ihren,/
In Staub die Feindinn stürzt, was wird
gescheh’n,/ 490
Wenn’s dir gelingt, du Göttlicher, sie einst/
Von Angesicht zu Angesicht zu fassen./
Achilles.
(er hält den Helm in der Hand und
wischt sich den Schweiß von der Stirn. Zwei
Griechen
ergreifen, ihm unbewußt,
Einen
seiner Arme, der verwundet ist, und verbinden
ihn.)
Was ist? Was giebt’s?
27
Antilochus.
Du hast
in einem Kampf/
Wetteifernder Geschwindigkeit bestanden,/
Neridensohn , wie
losgelassene/
Gewitterstürm’, am
Himmelsplane brausend,/
Noch der erstaunten Welt ihn nicht gezeigt./
Bei den Erynnien ! Meiner
Reue würd’ ich/
Mit deinem flüchtigen Gespann entflieh’n,/
Hätt’ ich, des Lebens Gleise schwer
durchknarrend,/ 500
Die Sünden von der ganzen Trojerburg/
Der Muschel meiner Brust auch aufgeladen./
Achilles.
(zu den zwei Griechen, welche
ihn mit
ihrem Geschäfft zu belästigen
scheinen.)
Die Narren.
Ein Griechenfürst.
Wer?
Achilles.
Was neckt ihr
Der
erste Grieche.
(der ihm den Arm verbindet.)
Halt!
Du blutest!/
Achilles.
Nun ja.
Der zweite Grieche.
So steh!
Der Erste.
So laß
dich auch verbinden./
28
Der Zweite.
Gleich ist’s geschehn.
Diomedes.
— Es
hieß zu Anfang hier,/
Der Rückzug meiner Völker habe dich/
In diese Flucht gestürzt; beschäftiget/
Mit dem Ulyß, den Antiloch zu hören,/
Der Bothschaft uns von den Atriden brachte,/
War ich selbst auf dem Platz nicht
gegenwärtig./ 510
Doch Alles, was ich sehe, überzeugt mich,/
Daß dieser meisterhaften Fahrt ein freier/
Entwurf zum Grunde lag. Man könnte fragen,/
Ob du bei Tagesanbruch, da wir zum/
Gefecht noch allererst uns rüsteten,/
Den Feldstein schon gedacht dir, über
welchen/
Die Königinn zusammenstürzen sollte:/
So sichern Schrittes, bei den ewigen
Göttern,/
Hast du zu diesem Stein sie hingeführt./
Odysseus.
Doch jetzt, Doloperheld, wirst du gefällig,/ 520
Wenn dich ein Anderes nicht besser dünkt,/
Mit uns dich ins Argiverlager werfen./
Die Söhne Atreus rufen
uns zurück./
Wir werden mit verstelltem Rückzug sie/
In das Skamandrosthal zu
locken suchen,/
Wo Agamemnon aus dem
Hinterhalt/
In einer Hauptschlacht sie empfangen wird./
Beim Gott des Donners !
Nirgends, oder dort/
Kühlst du die Brunst dir
ab, die, rastlos drängend,/
Gleich einem jungen Spießer, dich verfolgt:/ 530
Und meinen beßten Segen schenk’ ich dir./
Denn mir ein Gräul auch, in den Tod
verhaßt,/
29
Schweift die Megäre ,
unsre Thaten störend,/
Auf diesem Feld herum, und gern möcht’ ich,/
Gesteh’ ich dir, die Spur von deinem
Fußtritt/
Auf ihrer rosenblüthnen Wange sehn./
Achilles.
(sein Blick fällt auf die Pferde.)
Sie schwitzen.
Antilochus.
Wer?
Automedon.
(indem er ihre Hälse mit der
Hand prüft.)
Wie Blei.
Achilles.
Gut.
Führe sie./
Und wenn die Luft sie abgekühlt, so wasche/
Brüst’ ihnen und der Schenkel Paar mit Wein./
Automedon.
Man bringt die Schläuche schon.
Diomedes.
— Hier
siehst du wohl,/ 540
Vortrefflicher, daß wir im Nachtheil
kämpfen./
Bedeckt, so weit das schärfste Auge reicht,/
Sind alle Hügel von der Weiber Haufen;/
Heuschrecken lassen dichtgeschloßner nicht/
Auf eine reife Saatenflur sich nieder./
Wem noch gelang ein Sieg, wie er ihn
wünschte?/
Ist Einer, außer dir, der sagen kann,/
Er hab’ auch die
Kenthaurinn nur gesehn?/
Umsonst, daß wir, in goldnen Rüstungen,/
30
Hervor uns drängen, unsern Fürstenstand/ 550
Lautschmetternd durch Trompeten ihr
verkünden:/
Sie rückt nicht aus dem Hintergrund hervor;/
Und wer auch fern, vom Windzug hergeführt,/
Nur ihre Silberstimme hören wollte,/
Müßt’ eine Schlacht, unrühmlich,
zweifelhaft,/
Vorher mit losem Kriegsgesindel kämpfen,/
Das sie, den Höllenhunden gleich, bewacht./
Achilles.
(in die Ferne hinaus
schauend)
Steht sie noch da?
Diomedes.
Du fragst? —
Antilochus.
Die
Königinn?/
Der Hauptmann.
Man sieht nichts — Platz! Die Federbüsch’
hinweg!/
Der
Grieche.
(der ihm den Arm
verbindet)
Halt’! Einen Augenblick.
Ein Griechenfürst.
Dort,
allerdings!/ 560
Diomedes.
Wo?
Der Griechenfürst.
Bei der
Eiche, unter der sie fiel./
Der Helmbusch wallt schon wieder ihr vom
Haupte,/
Und ihr Misschicksal scheint verschmerzt. —
31
Der erste Grieche.
Nun
endlich!/
Der Zweite.
Den Arm jetzt magst du, wie du willst,
gebrauchen./
Der Erste.
Jetzt kannst du gehn.
(Die Griechen verknüpfen noch
einen Knoten und lassen
seinen Arm fahren.)
Odysseus.
Hast du
gehört, Pelide,/
Was wir dir vorgestellt?
Achilles.
Mir
vorgestellt?/
Nein, nichts. Was war’s? Was wollt ihr?
Odysseus.
Was wir
wollen?/
Seltsam. — Wir unterrichteten von den
Befehlen/
Dich der Atriden! Agamemnon will,/
Daß wir sogleich ins Griechenlager kehren;/ 570
Den Antiloch sandt’ er, wenn du ihn siehst,/
Mit diesem Schluß des Feldherrnraths uns
ab./
Der Kriegsplan ist, die Amazonen-Königinn/
Herab nach der
Dardanerburg zu locken,/
Wo
sie in beider Heere Mitte nun
Versänderung entspr. ›Verbesserungen‹.
/
Von treibenden Verhältnissen gedrängt,/
Sich muß, wem sie die Freundinn sei,
erklären;/
Und wir dann, sie erwähle, was sie wolle,/
Wir werden wissen mindstens, was zu thun./
Ich traue deiner Klugheit zu, Pelide,/ 580
Du folgst der Weisheit dieser Anordnung./
32
Denn Wahnsinn wär’s, bei den Olympischen,/
Da dringend uns der Krieg nach Troja ruft,/
Mit diesen Jungfrau’n hier uns einzulassen,/
Bevor wir wissen, was sie von uns
wollen,/
Noch überhaupt nur, ob sie uns was
wollen?/
Achilles.
(indem er sich den Helm wieder
aufsetzt)
Kämpft ihr, wie die Verschnittnen, wenn ihr
wollt;/
Mich einen Mann fühl ich, und diesen
Weibern,/
Wenn keiner sonst im Heere, will ich stehn!/
Ob ihr hier länger, unter kühlen Fichten,/ 590
Ohnmächtiger Lust voll, sie umschweift, ob
nicht,/
Vom Bette fern der Schlacht, die sie umwogt,/
Gilt mir gleichviel: beim
Styx , ich will’ge drein,/
Daß ihr nach Ilium
zurücke kehrt./
Was mir die
Göttliche begehrt, das weiß ich;/
Brautwerber schickt sie mir, gefiederte,/
Genug in Lüften zu, die ihre Wünsche/
Mit Todgeflüster in das Ohr mir raunen./
Im Leben keiner Schönen war ich spröd;/
Seit
mir der Bart gekeimt, ihr lieben Freunde,/ 600
Ihr wißt’s, zu Willen jeder war ich gern:/
Und wenn ich dieser mich gesperrt bis heute,/
Beim Zevs, des Donners Gott, geschah’s, weil
ich/
Das Plätzchen unter Büschen noch nicht fand,/
Sie ungestört, ganz wie ihr Herz es wünscht,/
Auf Küßen heiß von Erz im Arm zu nehmen./
Kurz, geht: ins Griechenlager folg’ ich
euch;/
Die Schäferstunde bleibt nicht lang mehr
aus:/
Doch müßt ich auch durch ganze Monden noch,/
Und
Jahre,
um sie frein: den Wagen dort/ 610
Nicht ehr zu meinen Freunden will ich
lenken,/
Ich schwör’s, und
Pergamos nicht wiedersehn,/
33
Als bis ich sie zu meiner Braut gemacht,/
Und sie, die Stirn bekränzt mit Todeswunden,/
Kann durch die Straßen häuptlings mit mir
schleifen./
Folgt mir!
Ein
Grieche.
(tritt auf)
Penthesilea naht sich dir, Pelide!/
Achilles.
Ich auch. Bestieg sie schon den
Perser wieder?/
Der Grieche.
Noch nicht. Zu Fuße schreitet sie heran,/
Doch ihr zur Seite stampft der Perser schon./
Achilles.
Wohlan! So schafft mir auch ein Roß, ihr
Freunde! —/ 620
Folgt, meine tapfern Myrmidonier, mir./
Das
Heer.
(bricht auf)
Antilochus.
Der Rasende!
Odysseus.
Nun, so
versuche doch/
Jetzt deine Rednerkunst, o Antiloch!/
Antilochus.
Laßt
mit Gewalt uns ihn —
Diomedes.
Fort
ist er schon!/
Odysseus.
Verwünscht sei dieser Amazonenkrieg!/
(Alle ab.)
34
Fünfter Auftritt.
Penthesilea,
Prothoe,
Meroe,
Asteria,
Ge folge,
das
Amazonenheer.
Die Amazonen.
Das ›o‹ ist
nicht kursiv gesetzt, ›en‹ nicht gesperrt. Auf eine
entsprechende Wiedergabe wird verzichtet.
Heil dir, du Siegerinn! Überwinderinn!/
Des Rosenfestes Königinn!
Triumph dir!/
Penthesilea.
Nichts vom Triumph mir! Nichts vom
Rosenfeste!/
Es ruft die Schlacht noch einmal mich ins
Feld./
Den jungen trotz’gen Kriegsgott bänd’g’ ich
mir,/ 630
Gefährtinnen, zehntausend Sonnen dünken,/
Zu einem Glutball eingeschmelzt, so
glanzvoll/
Nicht, als ein Sieg, ein Sieg mir über ihn./
Prothoe.
Geliebte, ich beschwöre dich —
Penthesilea.
Laß
mich!/
Du hörst, was ich beschloß, eh würdest du/
Den Strom, wenn er herab von Bergen
schießt,/
Als meiner Seele Donnersturz regieren./
Ich will zu meiner Füße Staub ihn sehen,/
Den Übermüthigen, der mir an diesem/
Glorwürd’gen Schlachtentag, wie keiner noch,/ 640
Das kriegerische Hochgefühl verwirrt./
Ist das die Siegerinn, die schreckliche,/
Der Amazonen stolze Königinn,/
Die seines Busens erzne Rüstung mir,/
Wenn sich mein Fuß ihm naht,
zurückespiegelt?/
Fühl’ ich, mit aller Götter Fluch Belad’ne,/
35
Da rings das Heer der Griechen vor mir
flieht,/
Bei dieses einz’gen Helden Anblick mich/
Gelähmt nicht, in dem Innersten getroffen,/
Mich, mich
die Überwundene, Besiegte?/ 650
Wo ist der Sitz mir, der kein Busen ward,/
Auch des Gefühls, das mich zu Boden wirft?/
Ins Schlachtgetümmel stürzen will ich mich,/
Wo der Hohnlächelnde mein harrt, und ihn/
Mir überwinden, oder leben nicht!/
Prothoe.
Wenn du dein Haupt doch, theure Königinn,/
An diesem treuen Busen ruhen wolltest./
Der Sturz, der dir die Brust gewaltsam traf,/
Hat dir das Blut entflammt, den Sinn empört:/
An allen jungen Gliedern zitterst du!/ 660
Beschließe nichts, wir alle flehen dich,/
Bis heitrer dir der Geist zurückgekehrt./
Komm, ruhe dich bei mir ein wenig aus./
Penthesilea.
Warum? Weshalb? Was ist geschehn? Was sagt’
ich?/
Hab’ ich? — Was hab’ ich denn — ?
Prothoe.
Um
eines Siegs,/
Der deine junge Seele flüchtig reizt,/
Willst du das Spiel der Schlachten neu
beginnen?/
Weil unerfüllt ein Wunsch, ich weiß nicht
welcher,/
Dir im geheimen Herzen blieb, den Seegen,/
Gleich einem übellaunigen Kind, hinweg,/ 670
Der deines Volks Gebete krönte, werfen?/
36
Penthesilea.
Ha, sieh! Verwünscht das Loos mir dieses
Tages!/
Wie mit dem Schicksal heut, dem tückischen,/
Sich meiner Seele liebste Freundinnen/
Verbünden, mir zu schaden, mich zu kränken!/
Wo sich die Hand, die lüsterne, nur regt,/
Den Ruhm, wenn er bei mir vorüberfleucht,/
Bei seinem goldnen Lockenhaar zu fassen,/
Trit eine Macht mir hämisch in den Weg —/
— Und Trotz ist, Widerspruch, die Seele mir!/ 680
Hinweg!
Prothoe.
(für sich)
Ihr
Himmlischen, beschützet sie!/
Penthesilea.
Denk’ ich bloß mich, sind’s meine Wünsche bloß,/
Die mich zurück aufs Feld der Schlachten
rufen?/
Ist es das Volk, ist’s das Verderben nicht,/
Das in des Siegs wahnsinniger Berauschung,/
Hörbaren Flügelschlags, von fern ihm naht?/
Was ist geschehn, daß wir zur
Vesper schon,/
Wie nach vollbrachter Arbeit ruhen wollen?/
Gemäht liegt uns, zu Garben eingebunden,/
Der Erndte üpp’ger Schatz, in Scheuern hoch,/ 690
Die in den Himmel ragen, aufgethürmt:/
Jedoch die Wolke heillos überschwebt ihn,/
Und den Vernichtungsstrahl droht sie herab./
Die Jünglingsschaar, die überwundene,/
Ihr werdet sie, bekränzt mit Blumen nicht,/
Bei der Posaunen und der
Cymbeln Klang,/
Zu euren duft’gen Heimathsthälern führen./
Aus jedem tückschen Hinterhalt hervor,/
37
Der sich ihm beut, seh’ ich den
Peleïden/
Auf euren frohen Jubelzug sich stürzen;/ 700
Euch und dem Trosse der Gefangenen,/
Bis zu den Mauern
Themiscyras folgen;/
Ja in der Artemis
geweihtem Tempel/
Die Ketten noch, die rosenblüthenen,/
Von ihren Gliedern reißen und die unsern/
Mit erzgegoßner Fessel Last bewuchten./
Soll ich von seiner Fers’, ich Rasende,/
Die nun fünf schweißerfüllte Sonnen schon/
An seinem Sturze rüttelte, entweichen:/
Da er vom Windzug eines Streiches muß,/ 710
Getroffen, unter meines Rosses Huf,/
Wie eine reife Südfrucht, niederfallen?/
Nein, eh’ ich, was so herrlich mir begonnen,/
So groß, nicht endige, eh’ ich nicht völlig/
Den Kranz, der mir die Stirn umrauscht’,
erfasse,/
Eh’ ich Mars Töchter
nicht, wie ich versprach,/
Jetzt auf des Glückes Gipfel jauchzend
führe,/
Eh’ möge seine Pyramide
schmetternd/
Zusammenbrechen über mich und sie:/
Verflucht das Herz, das sich nicht mäß’gen
kann./ 720
Prothoe.
Dein Aug’, o Herrscherinn, erglüht ganz
fremd,/
Ganz unbegreiflich, und Gedanken wälzen,/
So finster, wie der ew’gen Nacht entstiegen,/
In meinem ahndungsvollen Busen sich./
Die Schaar, die deine Seele seltsam
fürchtet,/
Entfloh rings vor dir her, wie Spreu vor
Winden;/
Kaum daß ein Speer sich noch erblicken
läßt./
Achill, so wie du mit dem Heer dich
stelltest,/
Von
dem
Skamandros ist er abgeschnitten;/
38
Reiz’ ihn nicht mehr, aus seinem Blick nur
weiche:/ 730
Den ersten Schritt, beim Jupiter, ich
schwör’s,/
In seine Danaerschanze
setzt er hin./
Ich will, ich, dir des Heeres Schweif
beschirmen./
Sieh’, bei den Göttern des Olymps, nicht
Einen/
Gefangenen entreißt er dir! Es soll/
Der Glanz, auch meilenfernhin, seiner
Waffen,/
Dein Heer nicht schrecken, seiner Rosse ferner
Tritt/
Dir kein Gelächter einer Jungfrau stören:/
Mit meinem Haupt steh’ ich dir dafür ein!/
Penthesilea.
(indem sie sich plötzlich zu
Asteria wendet)
Kann das geschehn, Asteria?
Asteria.
Herrscherinn —
/ 740
Penthesilea.
Kann ich das Heer, wie Prothoe verlangt,/
Nach Themiscyra wohl zurücke führen?/
Asteria.
Vergieb, wenn ich in meinem Fall, o Fürstinn
—/
Penthesilea.
Sprich dreist. Du hörst.
Prothoe.
(schüchtern)
Wenn du
den Rath willst gütig/
Versammelt aller Fürstinnen befragen,/
So wird —
Penthesilea.
Den Rath
hier dieser will ich
wissen!/
— Was bin ich denn seit einer Hand voll
Stunden?/
39
(Pause, in welcher sie sich
sammelt)
— — Kann ich das Heer, du sprichst, Asteria,/
Kann ich es wohl zurück zur Heimath führen?/
Asteria.
Wenn du so willst, o Herrscherinn, so laß/ 750
Mich dir gestehn, wie ich des Schauspiels
staune,/
Das mir in die ungläub’gen Sinne fällt./
Vom Kaukasus , mit meinem
Völkerstamm,/
Um eine Sonne später aufgebrochen,/
Konnt’ ich dem Zuge deines Heeres nicht,/
Der reißend wie ein Strom dahinschoß,
folgen./
Erst heute, weißt du, mit der Dämmerung,/
Auf diesen Platz schlagfertig treff ich ein;/
Und jauchzend schallt aus tausend Kehlen mir/
Die Nachricht zu: Der Sieg, er sei erkämpft,/ 760
Beschlossen schon, auf jede Forderung/
Der ganze Amazonenkrieg. Erfreut,/
Versichr’ ich dich, daß das Gebet des Volks
sich dir/
So leicht, und unbedürftig mein, erfüllt,/
Ordn’ ich zur Rückkehr Alles wieder an;/
Neugierde treibt mich doch, die Schaar zu
sehen,/
Die man mir als des Sieges Beute rühmt;/
Und eine Handvoll Knechte, bleich und
zitternd,/
Erblickt mein Auge, der
Argiver
Auswurf,/
Auf Schildern, die sie fliehend weggeworfen,/ 770
Von deinem Kriegstroß schwärmend
aufgelesen./
Vor Trojas stolzen Mauern steht das ganze/
Helenenheer, steht
Agamemnon noch,/
Stehn Menelaus ,
Ajax ,
Palamed ;/
Ulysses, Diomedes, Antilochus,/
Sie wagen dir ins Angesicht zu trotzen:/
Ja jener junge
Nereïdensohn ,/
40
Den deine Hand mit Rosen schmücken sollte,/
Die Stirn beut er, der Übermüth’ge, dir;/
Den Fußtritt will er, und erklärt es laut,/ 780
Auf deinen königlichen Nacken setzen:/
Und meine große Arestochter fragt mich,/
Ob sie den Siegesheimzug feiern darf?/
Prothoe.
(leidenschaftlich)
Der Königinn, du Falsche, sanken Helden/
An Hoheit, Muth und Schöne —
Penthesilea.
Schweig, Verhaßte!/
Asteria fühlt, wie ich, es ist nur Einer/
Hier mir zu sinken werth: und dieser Eine,/
Dort steht er noch im Feld der Schlacht und
trotzt!/
Prothoe.
Nicht von der Leidenschaft, o Herrscherinn,/
Wirst du dich —
Penthesilea.
Natter!
Deine Zunge nimm gefangen!/ 790
— Willst du den Zorn nicht deiner Königinn
wagen!/
Hinweg!
Prothoe.
So wag’
ich meiner Königinn Zorn!/
Eh’ will ich nie dein Antlitz wiedersehen,/
Als feig’, in diesem Augenblick, dir eine/
Verrätherinn schmeichlerisch zur Seite
stehn./
Du bist, in Flammen wie du loderst, nicht/
Geschickt, den Krieg der Jungfraun
fortzuführen;/
41
So wenig, wie, sich mit dem Spieß zu
messen,/
Der Löwe, wenn er von dem Gift getrunken,/
Das ihm der Jäger tückisch vorgesetzt./ 800
Nicht den Peliden, bei den ew’gen Göttern,/
Wirst du in dieser Stimmung dir gewinnen:/
Vielmehr, noch eh’ die Sonne sinkt, versprech’
ich,/
Die Jünglinge, die unser Arm bezwungen,/
So vieler unschätzbaren Mühen Preis,/
Uns bloß, in deiner Raserei verlieren./
Penthesilea.
Das ist ja sonderbar und unbegreiflich!/
Was macht dich plötzlich denn so feig?
Prothoe.
Was
mich? —/
Penthesilea.
Wen überwandst du, sag’ mir an?
Prothoe.
Lykaon,/
Den jungen Fürsten der
Arkadier ./ 810
Mich dünkt, du sahst ihn.
Penthesilea.
So, so.
War es jener,/
Der zitternd stand, mit eingeknicktem
Helmbusch,/
Als ich mich den Gefangnen gestern —
Prothoe.
Zitternd!
/
Er stand so fest, wie je dir der Pelide!/
Im Kampf von meinen Pfeilen heiß getroffen,/
42
Sank er zu Füssen mir, stolz werd’ ich ihn,/
An jenem Fest der Rosen, stolz, wie Eine,/
Zu unserm heil’gen Tempel führen können./
Penthesilea.
Wahrhaftig? Wie du so begeistert bist. —/
Nun denn — er soll dir nicht entrissen
werden!/ 820
— Führt aus der Schaar ihn den Gefangenen,/
Lykaon, den Arkadier herbei!/
— Nim, du unkriegerische Jungfrau, ihn,/
Entfleuch, daß er dir nicht verloren gehe,/
Aus dem Geräusch der Schlacht mit ihm, bergt
euch/
In Hecken von süß duftendem Holunder,/
In der Gebirge fernsten Kluft, wo ihr/
Wollüstig Lied die Nachtigall dir flötet,/
Und fei’r es gleich, du Lüsterne, das Fest,/
Das deine Seele nicht erwarten kann./ 830
Doch aus dem Angesicht sei ewig mir,/
Sei
aus der Hauptstadt mir verbannt, laß den/
Geliebten dich und seine Küße, trösten,/
Wenn Alles, Ruhm dir, Vaterland und Liebe,/
Die Königinn, die Freundinn untergeht./
Geh’ und befreie — geh! ich will nichts
wissen!/
Von deinem hassenswürd’gen Anblick mich!/
Meroe.
O, Königinn!
Eine
andere Fürstinn.
(aus ihrem Gefolge)
Welch ein Wort sprachst
du?
Penthesilea.
Schweigt, sag ich!/
Der Rache weih’ ich den, der für sie fleht!/
43
Eine
Amazone.
(tritt auf)
Achilles nahet dir, o Herrscherinn!/ 840
Penthesilea.
Er naht — Wohlauf, ihr Jungfraun, denn zur Schlacht!
—/
Reicht mir der Spieße Treffendsten, o
reicht/
Der Schwerdter
Wetterflammendstes mir her!/
Die Lust, ihr Götter, müßt ihr mir
gewähren,/
Den einen heißersehnten Jüngling siegreich/
Zum Staub mir noch der Füße hinzuwerfen./
Das ganze Maas von Glück erlaß ich euch,/
Das meinem Leben zugemessen ist. —/
Asteria! Du wirst die Schaaren führen./
Beschäfftige den Griechentroß und sorge/ 850
Daß sich des Kampfes Inbrunst mir nicht
störe./
Der Jungfrau’n keine, wer sie immer sei,/
Trifft den Peliden selbst! Dem ist ein Pfeil/
Geschärft des Todes, der sein Haupt, was sag’
ich!/
Der seiner Locken eine mir berührt!/
Ich nur, ich weiß den Göttersohn zu fällen./
Hier dieses Eisen soll, Gefährtinnen,/
Soll mit der sanftesten Umarmung ihn,/
(Weil ich mit Eisen ihn
umarmen
muß!)/
An meinen Busen schmerzlos niederziehn./ 860
Hebt euch, ihr Frühlingsblumen, seinem Fall,/
Daß seiner Glieder keines sich verletze./
Blut meines Herzens mißt’ ich ehr, als
seines./
Nicht eher ruhn will ich, bis ich aus
Lüften,/
Gleich einem schöngefärbten Vogel, ihn/
Zu mir herabgestürzt; doch liegt er jetzt/
Mit eingeknickten Fittigen, ihr Jungfrau’n,/
Zu Füssen mir, kein Purpurstäubchen missend,/
44
Nun dann, so mögen alle Seeligen/
Daniedersteigen, unsern Sieg zu feiern,/ 870
Zur Heimath geht der Jubelzug, dann bin ich/
Die Königinn des Rosenfestes euch! —/
Jetzt kommt! —
(Indem sie abgehen will,
erblickt sie die weinende
Prothoe,
Im
Erstdruck nur kursiv, nicht gesperrt gesetzt. und
wendet sich unruhig. Darauf plötzlich, indem sie ihr um den
Hals fällt.)
Prothoe!
Meiner Seelen Schwester!/
Willst du mir folgen?
Prothoe.
(mit gebrochener Stimme)
In den
Orkus dir!/
Gieng’ ich auch zu den Seeligen ohne dich?/
Penthesilea.
Du Bessere, als Menschen sind! Du willst es?/
Wohlan, wir kämpfen, siegen mit einander,/
Wir beide
oder keine, und die
Losung/
Ist: Rosen für die Scheitel unsrer Helden,/
Oder Cypressen für die unsrigen./ 880
(Alle ab)
Sechster Auftritt.
Die Oberpriesterinn der
Diana (mit ihren)
Prie sterinnen
(treten auf.
Ihnen folgen) eine Schaar
junger Mädchen (mit Rosen in
Körben auf den Köpfen, und) die Gefangenen
(geführt von eini gen bewaffneten) Amazonen.
Die Oberpriesterinn.
Nun, ihr geliebten, kleinen Rosenjungfrau’n,/
45
Laßt jetzt die Frucht mich eurer Wandrung
sehn./
Hier, wo die Felsenquelle einsam schäumt,/
Beschattet von der Pinie, sind wir sicher:/
Hier schüttet eure Erndte vor mir aus./
Ein
junges Mädchen.
(ihren Korb ausschüttend)
Sieh’, diese Rosen pflückt’ ich, heil’ge
Mutter!/
Ein
Anderes.
(eben so)
Hier diesen Schoosvoll ich!
Ein Drittes.
Und
diesen ich!/
Ein Viertes.
Und diesen ganzen üpp’gen Frühling ich!/
Die andern jungen
Mädchen. (folgen)
Die Oberpriesterinn.
Das blüht ja wie der Gipfel von
Hymetta !/
Nun solch ein Tag des Seegens, o Diana!/ 890
Gieng deinem Volke herrlich noch nicht auf./
Die Mütter bringen mir, die Töchter, Gaben;/
Nicht,
Nicht [nicht emendiert]
Nicht [nicht emendiert]
In der Phöbusfassung und der Handschrift findet
sich nach ›Nicht‹ ein Komma, was überhaupt erst
ermöglicht, diese Negation dem Wissen, ›wem‹ schön’rer
Dank gebühren mag‹, zuzuordnen: ›nicht weiß ich, wem
...‹ von der Pracht, der doppelten, geblendet,/
Weiß ich, wem schön’rer Dank gebühren mag.
—/
Doch ist dieß euer ganzer Vorrath, Kinder?/
Das erste Mädchen.
Mehr nicht, als du hier siehst, war
aufzufinden.
/
Die Oberpriesterinn.
So waren eure Mütter fleißiger./
46
Das zweyte Mädchen.
Auf diesen Feldern, heil’ge Priest’rinn,
erndten/
Gefangne leichter auch, als Rosen, sich./
Wenn dichtgedrängt, auf allen Hügeln rings,/ 900
Die Saat der jungen Griechen steht, die
Sichel/
Nur einer muntern Schnitterinn erwartend,/
So blüht so sparsam in den Thälern rings,/
Und so verschanzt, versichr’ ich dich, die
Rose,/
Daß man durch Pfeile sich und Lanzen
lieber,/
Als ihr Geflecht der Dornen schlagen möchte./
— Sieh nur die Finger an, ich bitte dich./
Das dritte Mädchen.
Auf eines Felsens Vorsprung wagt’ ich mich,/
Um eine einz’ge Rose dir zu pflücken./
Und blaß nur, durch des Kelches Dunkelgrün,/ 910
Erschimmerte sie noch, ein Knösplein nur,/
Für volle Liebe noch nicht aufgeblüht./
Doch greif’ ich sie, und strauchl’ und sinke
plötzlich/
In einen Abgrund hin, der Nacht des Todes/
Glaubt’ ich, Verlorne, in den Schoos zu
sinken./
Mein Glück doch war’s, denn eine Rosenpracht/
Stand hier im Flor, daß wir zehn Siege noch/
Der Amazonen hätten feiern können./
Das vierte Mädchen.
Ich pflückte dir, du heil’ge Priesterinn,/
Dir pflückt’ ich eine Rose nur, nur Eine;/ 920
Doch eine Rose ist’s, hier diese, sieh!/
Um eines Königs Scheitel zu bekränzen:/
Nicht schöner wünscht Penthesilea sie,/
Wenn sie Achill, den Göttersohn, sich fällt./
47
Die Oberpriesterinn.
Wohlan, wenn ihn Penthesilea fällt,/
Sollst du die königliche Ros’ ihr reichen./
Verwahre sie nur sorgsam, bis sie kömmt./
Das erste Mädchen.
Zukünftig, wenn, beim Cymbelnschlag, von
Neuem/
Das Amazonenheer ins Schlachtfeld rückt,/
Ziehn wir zwar mit, doch nicht mehr, das
versprichst du,
/ 930
Durch Rosenpflücken bloß und Kränzewinden,/
Den Sieg der Mütter zu verherrlichen./
Sieh, dieser Arm, er schwingt den Wurfspieß
schon,/
Und sausend trifft die Schleuder mir das
Ziel:/
Was gilt’s? Mir selbst schon blüht ein Kranz
zusammen,
/
— Und tapfer im Gedräng’ schon mag er
kämpfen,/
Der Jüngling, dem sich diese Sehne strafft./
Die Oberpriesterinn.
Meinst du? — Nun freylich wohl, du mußt es wissen,
/
— Hast du die Rosen schon drauf angesehn?/
— Den nächsten Lenz, sobald sie wieder
reif,
/ 940
Sollst du den Jüngling, im Gedräng’ dir
suchen./
— Doch jetzt, der Mütter frohe Herzen
drängen:/
Die Rosen schnell zu Kränzen eingewunden!/
Die
Mädchen.
(durcheinander)
Fort zum Geschäfft! Wie greifen wir es an?/
Das
erste Mädchen.
(zur Zweiten)
Komm her, Glaukothoe !
48
Das
Dritte.
(zum Vierten)
Komm,
Charmion !/
(Sie setzen sich
paarweise)
Das erste Mädchen.
Wir — der Ornythia winden
wir den Kranz,/
Die sich Alcest mit hohen
Büschen fällte./
Das Dritte.
Und wir — Parthenion ,
Schwester: Athenäus ,/
Mit der Medus’ im Schilde, soll sie fesseln./
Die
Oberpriesterinn.
(zu den bewaffneten
Amazonen)
Nun? Wollt ihr eure Gäste nicht erheitern?/ 950
— Steht ihr nicht unbehülflich da, ihr
Jungfrau’n,/
Als müßt’ ich das Geschäfft der Lieb’ euch
lehren! —/
Wollt ihr das Wort nicht freundlich ihnen
wagen?/
Nicht hören, was die Schlachtermüdeten,/
Was sie begehren? Wünschen? Was sie
brauchen?/
Die erste Amazone.
Sie sagen, sie bedürfen nichts, Ehrwürd’ge./
Die Zweite.
Bös’ sind sie uns.
Die Dritte.
Wenn
man sich ihnen nahet,/
So wenden sich die Trotzigen schmäh’nd
hinweg./
Die Oberpriesterinn.
Ei, wenn sie bös’ euch sind, bei unsrer
Göttinn,/
So macht sie wieder gut! Warum auch habt ihr/ 960
49
So heftig sie im Kampfgewühl getroffen?/
Sagt ihnen, was geschehn wird, sie zu
trösten:/
So werden sie nicht unerbittlich seyn./
Die
erste Amazone.
(zu einem gefangenen Griechen)
Willst du auf weichen Teppichen, o Jüngling,/
Die Glieder ruhn? Soll ich von
Frühlingsblumen,/
Denn müde scheinst du sehr, ein Lager dir,/
Im Schatten jenes Lorbeerbaums, bereiten?/
Die
Zweite.
(eben so)
Soll ich das duftendste der
Perseröle/
In Wasser mischen, frisch dem Quell
entschöpft,/
Und dir den
Staubbedeckten
staubbedeckten [emendiert]
staubbedeckten [emendiert]
In der Phöbusfassung steht ›staubbedeckten‹, in der Penthesilea-Handschrift
›Staub bedeckten‹. [BKA] und [MA] emendieren in
›staubbedeckten‹, ebenso [SE]. [DKV] und [Recl;Port]
belassen es bei ›Staubbedeckten‹. Fuß
erquicken?/ 970
Die Dritte.
Doch der Orange Saft verschmähst du nicht/
Mit eigner Hand dir liebend dargebracht?/
Die drei Amazonen.
Sprecht! Redet! Womit dient man euch?
Ein
Grieche.
Mit
nichts!/
Die erste Amazone.
Ihr sonderbaren Fremdlinge! Was härmt euch?/
Was ist’s, da uns der Pfeil im Köcher ruht,/
Daß ihr vor unserm Anblick euch entsetzt?/
Ist es die Löwenhaut, die euch erschreckt? —/
Du, mit dem Gürtel, sprich! Was fürchtest
du?/
Der
Grieche.
(nachdem er sie scharf
angesehn)
Wem winden jene Kränze sich? Sagt an!/
50
Die erste Amazone.
Wem? Euch! Wem sonst?
Der Grieche.
Uns!
und das sagt ihr noch,/ 980
Unmenschliche! Wollt ihr, geschmückt mit
Blumen,/
Gleich Opferthieren, uns zur Schlachtbank
führen?/
Die erste Amazone.
Zum Tempel euch der
Artemis ! Was denkt ihr?/
In ihren dunkeln
Eichenhayn , wo eurer/
Entzücken ohne Maas und Ordnung wartet!/
Der
Grieche.
(erstaunt, mit unterdrückter
Stimme, zu den andern Gefangenen)
War je ein Traum so bunt, als was hier wahr
ist?/
Siebenter Auftritt.
Eine Hauptmänninn (tritt
auf). Die
Vorigen.
Die Hauptmänninn.
Auf diesem Platz, Hochwürd’ge, find ich
dich!/
— Inzwischen sich, auf eines Steinwurfs
Nähe,/
Das Heer zur blutigen Entscheidung rüstet!/
Die Oberpriesterinn.
Das Heer! Unmöglich! Wo?
Die Hauptmänninn.
In
jenen Gründen,/ 990
51
Die der Skamandros ausgeleckt. Wenn du/
Dem Wind, der von den Bergen weht, willst
horchen,/
Kannst du den Donnerruf der Königinn,/
Gezückter Waffen Klirren, Rosse wiehern,/
Drommeten ,
Tuben ,
Cymbeln und Posaunen,/
Des Krieges ganze ehrne Stimme hören./
Eine Priesterinn.
Wer rasch erfleucht den Hügel dort?
Die Mädchen.
Ich!
Ich!/
(Sie ersteigen den
Hügel)
Die Oberpriesterinn.
Der Königinn! — Nein, sprich! Es ist unglaublich
—/
— Warum, wenn noch die Schlacht nicht
ausgewüthet,
/
Das Fest der Rosen ordnete sie an?/ 1000
Die Hauptmänninn.
Das Rosenfest — Gab sie Befehl denn wem?/
Die Oberpriesterinn.
Mir! Mir!
Die Hauptmänninn.
Wo? Wann?
Die Oberpriesterinn.
Vor
wenigen Minuten/
In jenes Obelisken Schatten stand ich,/
Als der Pelid, und sie, auf seiner Ferse,/
Den Winden gleich, an mir vorüberrauschten./
52
Und ich: wie geht’s? fragt, ich die
Eilende./
Zum Fest der Rosen, rief sie, wie du
siehst!/
Und flog’ an mir vorbei und jauchzte noch:/
Laß es an Blüthen nicht, du Heil’ge,
fehlen!/
Die
erste Priesterinn.
(zu den Mädchen)
Seht ihr sie? sprecht!
Das
erste Mädchen.
(auf dem Hügel)
Nichts, gar nichts sehen wir!/ 1010
Es läßt kein Federbusch sich
unterscheiden./
Ein Schatten überfleucht
von Wetterwolken/
Das weite Feld ringsher, das Drängen nur/
Verwirrter Kriegerhaufen nimmt sich wahr,/
Die im Gefild’ des Tod’s einander suchen./
Die zweite Priesterinn.
Sie wird des Heeres Rückzug decken wollen./
Die Erste.
Das denk’ ich auch. —
Die Hauptmänninn.
Zum
Kampf steht sie gerüstet,/
Ich sag’s euch, dem Peliden gegenüber,/
Die Königinn, frisch, wie das Perserroß,/
Das in die Luft hoch aufgebäumt sie trägt,/ 1020
Den Wimpern heiß’re Blick’, als je,
entsendend,/
Mit Athemzügen, freien, jauchzenden,/
Als ob ihr junger kriegerischer Busen/
Jetzt in die erste Luft der Schlachten
käme./
53
Die Oberpriesterinn.
Was denn, bei den Olympischen, erstrebt
sie?/
Was ist’s, da rings, zu Tausenden, uns die/
Gefangenen in allen Wäldern wimmeln,/
Das ihr noch zu erringen übrig bleibt?/
Die Hauptmänninn.
Was ihr noch zu erringen übrig bleibt?/
Die
Mädchen.
(auf dem Hügel)
Ihr Götter!
Die erste Priesterinn.
Nun?
Was giebt’s? Entwich der Schatten?/ 1030
Das erste Mädchen.
O ihr Hochheiligen, kommt doch her!
Die zweite Priesterinn.
So
sprecht!/
Die Hauptmänninn.
Was ihr noch zu erringen übrig bleibt?/
Das erste Mädchen.
Seht, seht, wie durch der Wetterwolken
Riß,/
Mit einer
Masse
Licht, die Sonne eben/
Auf des Peliden Scheitel niederfällt!/
Die Oberpriesterinn.
Auf wessen?
Das erste Mädchen.
Seine,
sagt’ ich!
Wessen sonst?/
54
Auf einem Hügel leuchtend steht er da,/
In Stahl geschient sein Roß und er, der
Saphir ,/
Der Chrysolith , wirft
solche Strahlen nicht!/
Die Erde rings, die bunte, blühende,/ 1040
In Schwärze der Gewitternacht gehüllt;/
Nichts als ein dunkler Grund nur, eine
Folie,/
Die Funkelpracht des Einzigen zu heben!/
Die Oberpriesterinn.
Was geht dem Volke der Pelide an?/
— Ziemt’s einer Tochter Ares, Königinn,/
Im Kampf auf einen Namen sich zu stellen?/
(zu einer Amazone)
Fleuch gleich,
Arsinoe , vor ihr Antlitz hin,/
Und sag’ in meiner Göttinn Namen ihr,/
Mars habe seinen Bräuten sich gestellt:/
Ich forderte, bei ihrem Zorn sie auf,/ 1050
Den Gott
bekränzt
zur Heimath jetzt zu führen,/
Und unverzüglich ihm, in ihrem Tempel,/
Das heil’ge Fest der Rosen zu eröffnen!/
(die Amazone ab)
Ward solch ein Wahnsinn jemals noch erhört!/
Die erste Priesterinn.
Ihr Kinder! Seht ihr noch die Königinn
nicht?/
Das
erste Mädchen.
(auf dem Hügel)
Wohl, wohl! Das ganze Feld erglänzt — da ist
sie!/
Die erste Priesterinn.
Wo zeigt sie sich?
Das Mädchen.
An
aller Jungfrau’n Spitze!/
55
Seht, wie sie in dem goldnen Kriegsschmuck
funkelnd,
/
Voll Kampflust ihm entgegen tanzt! Ist’s
nicht,/
Als ob sie, heiß von Eifersucht gespornt,/ 1060
Die Sonn’ im Fluge übereilen wollte,/
Die seine jungen Scheitel küßt! O seht!/
Wenn sie zum Himmel auf sich schwingen
wollte,/
Der hohen Nebenbuhl’rinn gleich zu sein,/
Der Perser könnte, ihren Wünschen fröhnend,/
Geflügelter sich in die Luft nicht heben!/
Die
Oberpriesterinn.
(zur Hauptmänninn)
War keine unter allen Jungfrau’n denn,/
Die sie gewarnt, die sie zurückgehalten?/
Die Hauptmänninn.
Es warf ihr ganzes fürstliches Gefolge/
Sich in den Weg ihr: hier auf diesem Platze/ 1070
Hat Prothoe ihr Aeußerstes gethan./
Jedwede
Kunst der Rede ward erschöpft,/
Nach Themiscyra sie
zurückzuführen./
Doch taub schien sie der Stimme der
Vernunft:/
Vom giftigsten der Pfeile
Amors sei,/
Heißt es, ihr jugendliches Herz getroffen./
Die Oberpriesterinn.
Was sagst du?
Das
erste
Mädchen.
(auf dem Hügel)
Ha,
jetzt treffen sie einander!/
Ihr Götter! Haltet eure Erde fest —/
Jetzt,
Ietzt, [nicht emendiert unter
Hinweis auf Adelung. (Recl;Port, Anm. S. 311)]
eben jetzt, da ich dies sage, schmettern/
Sie, wie zwei Sterne, auf einander ein!/ 1080
56
Die
Oberpriesterinn.
(zur Hauptmänninn)
Die Königinn, sagst du? Unmöglich,
Freundinn!/
Von Amors Pfeil getroffen — wann? Und wo?/
Die Führerinn des
Diamantengürtels ?
/
Die Tochter Mars, der selbst der Busen
fehlt,/
Das Ziel der giftgefiederten Geschosse?/
Die Hauptmänninn.
So sagt des Volkes Stimme mindestens,/
Und Meroe hat es eben mir vertraut./
Die Oberpriesterinn.
Es ist entsetzlich!
Die
Amazone.
(kehrt wieder zurück)
Die erste Priesterinn.
Nun?
was bringst du? Rede!/
Die Oberpriesterinn.
Ist es bestellt? Sprachst du die Königinn?/
Die Amazone.
Es war zu spät, Hochheilige, vergieb./ 1090
Ich konnte sie, die von dem Troß der
Frauen/
Umschwärmt, bald hier, bald dort erschien,
nicht treffen.
/
Wohl aber Prothoe, auf einen Augenblick,/
Traf ich, und sagt’ ihr, was dein Wille
sei;/
Doch sie entgegnete — ein Wort, nicht weiß
ich,/
Ob ich in der Verwirrung recht gehört./
Die Oberpriesterinn.
Nun, welch ein Wort?
57
Die Amazone.
Sie
hielt, auf ihrem Pferde/
Und sah, es schien, mit thränenvollen
Augen,/
Der Königinn zu. Und als ich ihr gesagt,/
Wie du entrüstet, daß die Sinnberaubte/ 1100
Den Kampf noch um ein einzeln Haupt
verlängre,/
Sprach sie: geh hin zu deiner Priesterinn,/
Und heiße sie daniederknieen und beten,/
Daß ihr dies eine Haupt im Kampf noch
falle;/
Sonst keine Rettung giebt’s, für sie und
uns./
Die Oberpriesterinn.
O sie geht
steil-bergab
den Pfad zum Orkus!/
Und nicht dem Gegner, wenn sie auf ihn
trifft,/
Dem Feind’ in ihrem Busen wird sie sinken./
Uns alle reißt sie in den Abgrund hin;/
Den Kiel seh’ ich, der uns Gefesselte/ 1110
Nach Hellas trägt, geschmückt mit Bändern
höhnend/
Im Geiste schon den Hellespont
durchschäumen./
Die erste Priesterinn.
Was gilt’s? Dort naht die Unheilskunde
schon./
Achter Auftritt.
Eine Oberste (tritt
auf) die
Vorigen.
Die Oberste.
Flieh! Rette die Gefangnen, Priesterinn!/
Das ganze Heer der Griechen stürzt heran./
58
Die Oberpriesterinn.
Ihr Götter des Olymps! Was ist geschehn?/
Die erste Priesterinn.
Wo ist die Königinn?
Die Oberste.
Im
Kampf gefallen,/
Das ganze Amazonenheer zerstreut./
Die
Oberpriesterinn.
Du Rasende! Was für ein Wort sprachst du?/
Die
erste Priesterinn.
(zu den bewaffneten
Amazonen)
Bringt die Gefangenen fort!
(Die Gefangenen werden
abgeführt.)
Die Oberpriesterinn.
Sag
an: wo? wann?/ 1120
Die Oberste.
Laß kurz das Ungeheuerste dir melden!/
Achill und sie, mit vorgelegten Lanzen,/
Begegnen beide sich,
zween Donnerkeile,/
Die aus Gewölken in einander fahren;/
Die Lanzen, schwächer als die Brüste,
splittern:/
Er, der Pelide, steht, Penthesilea,/
Sie sinkt, die Todumschattete, vom Pferd./
Und da sie jetzt, der Rache preißgegeben,/
Im Staub sich vor ihm wälzt, denkt
jeglicher,/
Zum Orkus völlig stürzen wird er sie;/ 1130
Doch bleich selbst steht der
Unbegreifliche,/
59
Ein Todesschatten da, ihr Götter! ruft er,/
Was für ein Blick der Sterbenden traf mich!/
Vom Pferde schwingt er eilig sich herab;/
Und während, von Entsetzen noch gefesselt,/
Die Jungfraun stehn, des Wortes eingedenk/
Der Königinn, kein Schwerdt zu rühren
wagen,/
Dreist der Erblaßten naht er sich, er
beugt/
Sich über sie, Penthesilea! ruft er,/
In seinen Armen hebt er sie empor,/ 1140
Und laut die That, die er vollbracht,
verfluchend,/
Lockt er ins Leben jammernd sie zurück!/
Die Oberpriesterinn.
Er — was? Er selbst?
Die Oberste.
Hinweg,
Verhaßter! donnert/
Das ganze Heer ihm zu; dankt mit dem Tod’
ihm,/
Ruft Prothoe, wenn er vom Platz nicht
weicht:/
Den Treffendsten der Pfeile über ihn!/
Und mit des Pferdes Huftritt ihn
verdrängend,/
Reißt sie die Königinn ihm aus dem Arm./
Indeß erwacht die Unglückseelige,/
Man führt sie röchelnd, mit zerrißner
Brust/ 1150
Das Haar verstöhrt vom Scheitel
niederflatternd,/
Den hintern Reih’n zu, wo sie sich erholt;/
Doch er, der unbegriff’ne
Doloper —/
Ein Gott hat, in der
erzgekeilten Brust,
Lt. ›Verbesserungen: ›‚statt: Ein Gott hat in der
enggekeilten Brust, lies: Ein Gott hat in der erzgekeilten
Brust.‘‹. Punkt und Komma hinter ›Brust‹ sind in den
›Verbesserungen‹ offensichtlich verwechselt.
/
Das Herz in Liebe plötzlich ihm geschmelzt
—/
Er ruft: verweilet, meine Freundinnen!/
Achilles grüßt mit ew’gem Frieden euch!/
Und wirft das Schwerdt hinweg, das Schild
hinweg,/
Die Rüstung reißt er von der Brust sich
nieder,/
60
Und folgt — mit Keulen könnte man, mit Händen
ihn,
/ 1160
Wenn man ihn treffen dürfte, niederreißen
—/
Der Kön’ginn unerschrocknen Schrittes nach:/
Als wüßt’ er schon, der Rasende, Verwegne,/
Daß unserm Pfeil sein Leben heilig ist./
Die Oberpriesterinn.
Und wer gab den wahnsinnigen Befehl?/
Die Oberste.
Die Königinn! Wer sonst?
Die Oberpriesterinn.
Es ist
entsetzlich!/
Die erste Priesterinn.
Seht, seht! Da wankt, geführt von Prothoe,/
Sie selbst, das Bild des Jammers, schon
heran!/
Die Zweite.
Ihr ew’gen Himmelsgötter! Welch ein
Anblick!/
Neunter Auftritt.
Penthesilea
(geführt von) Prothoe
und Meroe.
Gefolge (treten auf.)
Penthesilea.
(mit schwacher Stimme)
Hetzt alle Hund’ auf ihn! Mit Feuerbränden/ 1170
Die Elephanten peitschet auf ihn los!/
61
Mit Sichelwagen schmettert auf ihn ein,/
Und mähet seine üpp’gen Glieder nieder!/
Prothoe.
Geliebte! Wir beschwören dich —
Meroe.
Hör’
uns!/
Prothoe.
Er folgt dir auf dem Fuße, der Pelide;/
Wenn dir dein Leben irgend lieb, so flieh!/
Penthesilea.
Mir diesen Busen zu zerschmettern, Prothoe!/
— Ist’s nicht, als ob ich eine
Leier zürnend/
Zertreten wollte, weil sie still für sich,/
Im Zug des Nachtwinds, meinen Namen
flüstert?/ 1180
Dem Bären kauert’ ich zu Füssen mich,/
Und streichelte das Pantherthier, das mir/
In solcher Regung nahte, wie ich ihm./
Meroe.
So willst du nicht entweichen?
Prothoe.
Willst
nicht fliehen?/
Meroe.
Willst dich nicht retten?
Prothoe.
Was
kein Name nennt,/
Auf diesem Platz hier soll es sich
vollbringen?/
62
Penthesilea.
Ist’s meine Schuld, daß ich im Feld der
Schlacht/
Um sein Gefühl mich kämpfend muß bewerben?/
Was will ich denn, wenn ich das Schwerdt ihm
zücke?
/
Will ich ihn denn zum Orkus
niederschleudern?/ 1190
Ich will ihn ja, ihr ew’gen Götter, nur/
An diese Brust will ich ihn niederziehn!/
Prothoe.
Sie ras’t —
Die Oberpriesterinn.
Unglückliche!
Prothoe.
Sie
ist von Sinnen!/
Die Oberpriesterinn.
Sie denkt nichts, als den Einen nur.
Prothoe.
Der
Sturz/
Hat völlig ums Bewußtsein sie gebracht./
Penthesilea.
(mit erzwungener Fassung)
Gut. Wie ihr wollt. Sei’s drum. Ich will mich
fassen./
Dies Herz, weil es sein muß, bezwingen will
ich’s,/
Und thun mit Grazie, was die Noth
erheischt./
Recht habt ihr auch. Warum auch wie ein Kind
gleich,
/
Weil sich ein flücht’ger Wunsch mir nicht
gewährt,/ 1200
Mit meinen Göttern brechen? Kommt hinweg./
Das Glück, gesteh’ ich, wär mir lieb
gewesen;/
63
Doch fällt es mir aus Wolken nicht herab,/
Den Himmel drum erstürmen will ich nicht./
Helft mir nur fort von hier, schafft mir ein
Pferd,/
So will ich euch zurück zur Heimath führen./
Prothoe.
Geseegnet sei, o Herrscherinn, dreimal/
Ein Wort, so würdig königlich, als dies./
Komm, alles steht zur Flucht bereit —
Penthesilea.
(da sie die Rosenkränze in der
Kinder Händen erblickt, mit plötzlich aufflammendem
Gesicht)
Ha,
sieh!/
Wer gab Befehl, die Rosen einzupflücken?/ 1210
Das erste Mädchen.
Das fragst du noch, Vergeßene? Wer sonst,/
Als nur —
Penthesilea.
Als wer?
Die Oberpriesterinn.
— Das
Siegsfest sollte sich,/
Das heißersehnte, deiner Jungfraun feiern!/
War’s nicht dein eigner Mund, der’s so
befahl?/
Penthesilea.
Verflucht mir diese schnöde Ungeduld!/
Verflucht, im blutumschäumten Mordgetümmel,/
Mir der Gedanke an die Orgien!/
Verflucht, im Busen keuscher Arestöchter,/
Begierden, die, wie losgelaßne Hunde,/
64
Mir der Drommete erzne
Lunge bellend,/ 1220
Und aller Feldherrn Rufen, überschrei’n! —/
Der Sieg, ist er erkämpft mir schon, daß
mit/
Der Hölle Hohn schon der Triumph mir naht?/
— Mir aus den Augen! (sie zerhaut die Rosenkränze)
Das erste Mädchen.
Herrscherinn! Was thust du?/
Das
Zweite.
(die Rosen wieder
aufsuchend)
aufsuchend [emendiert ohne
Verweis in Kommentar]
Im Erstdruck ist das ›u‹ kopfstehend
montiert, was im Ergebnis einem ›n‹ ähnelt:
›aufsnchend‹.
Der Frühling bringt dir rings, auf
Meilenferne,/
Nichts für das Fest mehr —
Penthesilea.
Daß
der ganze Frühling/
Verdorrte! Daß der Stern, auf dem wir
athmen,/
Geknickt, gleich dieser Rosen
einer,
läge!/
Daß ich den ganzen Kranz der Welten so,/
Wie dies Geflecht der Blumen, lösen könnte!/ 1230
— O Aphrodite!
Die Oberpriesterinn.
Die
Unseelige!/
Die erste Priesterinn.
Verloren ist sie!
Die Zweite.
Den
Erynnien/
Zum Raub ist ihre Seele hingegeben!/
Eine
Priesterinn.
(auf dem Hügel)
Der Peleïd’, ihr Jungfrau’n, ich beschwör’
euch,/
Im Schuß der Pfeile naht er schon heran!/
65
Prothoe.
So fleh’ ich dich auf Knieen — rette
dich!
Am Schluß des Verses fehlt das Satzzeichen. In
der Handschrift steht hier – wie zu vermuten – ein
Ausrufezeichen.
/
Penthesilea.
Ach, meine Seel’ ist matt bis in den Tod! /
(sie setzt sich)
Prothoe.
Entsetzliche! Was thust du?
Penthesilea.
Flieht, wenn ihr wollt./
Prothoe.
Du willst? —
Meroe.
Du säumst — ?
Prothoe.
Du willst — ?
Penthesilea.
Ich
will hier bleiben./
Prothoe.
Wie, Rasende!
Penthesilea.
Ihr
hört’s. Ich kann nicht stehen./ 1240
Soll das Gebein mir brechen? Laßt mich
sein./
Prothoe.
Verlorenste der Frau’n! Und der Pelide,/
Er naht, du hörst, im Pfeilschuß —
66
Penthesilea.
Laßt
ihn kommen./
Laßt ihn den Fuß gestählt, es ist mir
recht,/
Auf diesen Nacken setzen. Wozu auch sollen/
Zwei Wangen länger, blüh’nd wie diese, sich/
Vom Koth, aus dem sie stammen,
unterscheiden?/
Laßt ihn mit Pferden häuptlings heim mich
schleifen,/
Und diesen Leib hier, frischen Lebens voll,/
Auf offnem Felde schmachvoll hingeworfen,/ 1250
Den Hunden mag er ihn zur Morgenspeise,/
Dem scheußlichen Geschlecht der Vögel,
bieten./
Staub lieber, als ein Weib sein, das nicht
reizt./
Prothoe.
O Königinn!
Penthesilea.
(indem sie sich den Halsschmuck
abreißt)
Weg ihr
verdammten Flittern !/
Prothoe.
Ihr ew’gen Götter dort! Ist das die
Fassung,/
Die mir dein Mund so eben angelobt?/
Penthesilea.
Vom Haupt, ihr auch — was nickt ihr? Seid verflucht
mir,
/
Hülflosere, als Pfeil und Wangen, noch!/
— Die Hand verwünsch’ ich, die zur Schlacht mich
heut
/
Geschmückt, und das verrätherische Wort,/ 1260
Das mir gesagt, es sei zum Sieg, dazu./
Wie sie mit Spiegeln mich, die
Gleißnerinnen,/
Umstanden, rechts und links, der schlanken
Glieder/
67
In Erz gepreßte Götterbildung preisend. —/
Die Pest in eure wilden Höllenkünste!/
Griechen.
(ausserhalb der Scene)
Vorwärts, Pelide, vorwärts! Sei getrost!/
Nur wenig Schritte noch, so hast du sie./
Die
Priesterinn.
(auf dem Hügel)
Diana! Königinn! Du bist verloren,/
Wenn du nicht weichst!
Prothoe.
Mein
Schwesterherz! Mein Leben!/
Du willst nicht fliehn? nicht gehn?
Penthesilea.
(die Thränen stürzen ihr aus den
Augen, sie lehnt sich an einen Baum)
Prothoe.
(plötzlich gerührt, indem sie sich
neben ihr niedersetzt)
Nun,
wie du willst./ 1270
Wenn du nicht kannst, nicht willst — sei’s!
Weine
nicht./
Ich bleibe bei dir. Was nicht möglich ist,/
Nicht ist, in deiner Kräfte Kreis nicht
liegt,/
Was du nicht leisten kannst: die Götter
hüten,/
Daß ich es von dir fordre! Geht, ihr
Jungfrau’n,/
Geht; kehrt in eure Heimathsflur zurück:/
Die Königinn und ich, wir bleiben hier./
Die Oberpriesterinn.
Wie, du Unseel’ge? Du bestärkst sie noch?/
68
Meroe.
Unmöglich wär’s ihr, zu entfliehn?
Die Oberpriesterinn.
Unmöglich,
/
Da nichts von außen sie, kein Schicksal,
hält,/ 1280
Nichts als ihr thörigt Herz —
Prothoe.
Das
ist ihr Schicksal!/
Dir scheinen Eisenbanden unzerreißbar,/
Nicht wahr? Nun sieh: sie bräche sie
vielleicht,/
Und das Gefühl doch nicht, das du
verspottest./
Was in ihr walten mag, das weiß nur sie,/
Und jeder Busen ist, der fühlt, ein
Räthsel./
Des Lebens höchstes Gut erstrebte sie,/
Sie streift’, ergriff es schon: die Hand
versagt ihr,/
Nach einem andern noch sich auszustrecken.
—/
Komm, magst du’s jetzt an meiner Brust
vollenden./ 1290
— Was fehlt dir? Warum
weinst du?
Penthesilea.
Schmerzen, Schmerzen —/
Prothoe.
Wo?
Penthesilea.
Hier.
Prothoe.
Kann ich dir Lindrung —
?
Penthesilea.
Nichts, nichts, nichts./
69
Prothoe.
Nun, faße dich; in Kurzem ist’s
vollbracht./
Die
Oberpriesterinn.
(halblaut)
Ihr Rasenden zusammt — !
Prothoe.
(eben so)
Schweig bitt’ ich dich./
Penthesilea.
Wenn ich zur Flucht mich noch — wenn ich es thäte:
/
Wie, sag’, wie faßt ich mich?
Prothoe.
Du
giengst nach Pharsos ./
Dort fändest du, denn dorthin wieß ich es,/
Dein ganzes Heer, das jetzt zerstreut,
zusammen./
Du ruhtest dich, du pflegtest deiner
Wunden,/
Und mit des nächsten Tages Strahl, gefiehl’s
dir,/ 1300
Nähmst du den Krieg der Jungfrau’n wieder
auf./
Penthesilea.
Wenn es mir möglich wär — ! Wenn ichs
vermöchte
— !/
Das Aeußerste, das Menschenkräfte leisten,/
Hab’ ich gethan — Unmögliches versucht —/
Mein Alles hab’ ich an den Wurf gesetzt;/
Der Würfel, der entscheidet, liegt, er
liegt:/
Begreifen muß ich’s — — und daß ich
verlor./
Prothoe.
Nicht, nicht, mein süßes Herz! Das glaube
nicht./
70
So niedrig schlägst du deine Kraft nicht
an./
So schlecht von jenem Preis nicht wirst du
denken,/ 1310
Um den du spielst, als daß du wähnen
solltest,/
Das, was er werth, sei schon für ihn
geschehn./
Ist diese Schnur von Perlen, weiß und
roth,/
Die dir vom Nacken rollt, der ganze
Reichthum,/
Den deine Seele aufzubieten hat?/
Wie viel, woran du gar nicht denkst, in
Pharsos ,/
Endlos für deinen Zweck noch ist zu thun!/
Doch freilich wohl — jetzt ist es fast zu
spät./
Penthesilea.
(nach einer unruhigen Bewegung)
Wenn ich rasch wäre — — Ach es macht mich
rasend!/
— Wo steht die Sonne?
Prothoe.
Dort,
dir grad’ im Scheitel,/ 1320
Noch eh’ die Nacht sinkt, träfest du dort
ein./
Wir schlössen Bündniß, unbewußt den
Griechen,/
Mit den Dardanischen, erreichten still/
Die Bucht des Meer’s, wo jener Schiffe
liegen;/
Zur Nachtzeit, auf ein Merkmal, lodern sie/
In Flammen auf, das Lager wird erstürmt,/
Das Heer, gedrängt zugleich von vorn und
hinten,/
Zerrissen, aufgelößt, ins Land zerstreut,/
Verfolgt, gesucht, gegriffen und bekränzet/
Jedwedes
Haupt, das unsrer Lust gefiel./ 1330
O seelig wär’ ich, wenn ich dieß erlebte!/
Nicht ruh’n wollt’ ich, an deiner Seite
kämpfen,/
Der Tage Glut nicht scheuen, unermüdlich,/
Müßt’ ich an allen Gliedern mich
verzehren,/
Bis meiner lieben Schwester Wunsch erfüllt,/
71
Und der Pelid’ ihr doch, nach so vielen
Mühen,/
Besiegt zuletzt zu Füssen niedersank./
Penthesilea.
(die während dessen unverwandt
in
die Sonne gesehen)
Daß ich mit Flügeln weit gespreizt und
rauschend,/
Die Luft zertheilte — !
Prothoe.
Wie!
Meroe.
— Was
sagte sie?/
Prothoe.
Was siehst du, Fürstinn — ?
Meroe.
Worauf
heftet sich — ?/ 1340
Prothoe.
Geliebte, sprich!
Penthesilea.
Zu
hoch, ich weiß, zu hoch —/
Er spielt in ewig fernen Flammenkreisen/
Mir um den sehnsuchtsvollen Busen hin./
Prothoe.
Wer, meine beste Königinn?
Penthesilea.
Gut,
gut./
— Wo geht der Weg? (sie sammelt sich und steht auf)
72
Meroe.
So
willst du dich entschließen?/
Prothoe.
So hebst du dich empor? — Nun, meine
Fürstinn,/
So sei’s auch wie ein Riese! Sinke nicht,/
Und wenn der ganze Orkus auf dich drückte!/
Steh, stehe fest, wie das Gewölbe steht,/
Weil seiner Blöcke jeder stürzen will!/ 1350
Beut deine Scheitel,
einem Schlußstein gleich,/
Der Götter Blitzen dar, und rufe, trefft!/
Und laß dich bis zum Fuß herab
zerspalten,/
Nicht aber wanke in dir selber mehr,/
So lang ein Athem Mörtel und Gestein,/
In dieser jungen Brust, zusammenhält./
Komm. Gieb mir deine Hand.
Penthesilea.
Geht’s
hier, geht’s dort?/
Prothoe.
Du kannst den Felsen dort, der sichrer ist,/
Du kannst auch das bequemre Thal hier wählen.
—/
Wozu entschließen wirst du dich?
Penthesilea.
Den
Felsen!/ 1360
Da komm’ ich ihm um soviel näher. Folgt
mir./
Prothoe.
Wem, meine Königinn?
Penthesilea.
Euren
Arm, ihr Lieben./
73
Prothoe.
Sobald du jenen Hügel dort erstiegen,/
Bist du in Sicherheit.
Meroe.
Komm
fort.
Im
Erstdruck fehlt der offensichtlich Meroe zuzuordnende
Vers. In der Tieck’schen Ausgabe wird „Nur schnell!“
ergänzt. Kleist-Ausgaben ab der von Erich Schmidt ergänzen
aus der Handschrift (dort Cynthia zugeordnet): „Komm
fort.“
Penthesilea.
(indem sie plötzlich auf eine Brücke
gekommen, stehen bleibt)
Doch
höre:/
Eins eh’ ich weiche, bleibt mir übrig noch./
Prothoe.
Dir übrig noch?
Meroe.
Und was?
Prothoe.
Unglückliche!
/
Penthesilea.
Eins noch, ihr Freundinnen, und rasend wär’
ich,/
Das müßt ihr selbst gestehn, wenn ich im
ganzen/
Gebiet der Möglichkeit mich nicht
versuchte./
Prothoe.
(unwillig)
Nun denn, so wollt’ ich, daß wir gleich
versänken!/ 1370
Denn Rettung giebt’s nicht mehr.
Penthesilea.
(erschrocken)
Was
ist? Was fehlt dir?/
Was hab’ ich ihr gethan, ihr Jungfrau’n,
sprecht!/
Die Oberpriesterinn.
Du denkst — ?
74
Meroe.
Du
willst auf diesem Platze noch — ?/
Penthesilea.
Nichts, nichts, gar nichts, was sie erzürnen
sollte. —/
Den Ida will ich auf den
Ossa wälzen,/
Und auf die Spitze ruhig blos mich stellen./
Die Oberpriesterinn.
Den Ida wälzen — ?
Meroe.
Wälzen
auf den Ossa — ?/
Prothoe.
(mit einer Wendung)
Schützt, all’ ihr Götter, sie!
Die Oberpriesterinn.
Verlorene!
/
Meroe.
(schüchtern)
Dies Werk ist der
Giganten , meine Königinn!/
Penthesilea.
Nun ja, nun ja: worinn denn weich’ ich
ihnen?/ 1380
Meroe.
Worin du ihnen — ?
Prothoe.
Himmel!
Die Oberpriesterinn.
Doch
gesetzt — ?/
75
Meroe.
Gesetzt nun du vollbrächtest dieses Werk —
?/
Prothoe.
Gesetzt was würdest du — ?
Penthesilea.
Blödsinnige!
/
Bei seinen goldnen Flammenhaaren zög’ ich/
Zu mir hernieder ihn —
Prothoe.
Wen?
Penthesilea.
Helios,/
Wenn er am Scheitel mir vorüberfleucht!/
Die
Fürstinnen.
(sehn sprachlos und mit Entsetzen
einander an)
Die Oberpriesterinn.
Reißt mit Gewalt sie fort!
Penthesilea.
(
schaut in
den Fluß nieder)
Ich,
Rasende!/
Da liegt er mir zu Füssen ja! Nimm mich —/
(sie will in den Fluß sinken, Prothoe und Meroe
hal ten sie)
Prothoe.
Die Unglückselige!
Meroe.
Da
fällt sie leblos,/
Wie ein Gewand, in unsrer Hand zusammen./ 1390
76
Die
Priesterinn.
(auf dem Hügel)
Achill erscheint, ihr Fürstinnen! Es kann/
Die ganze Schaar der Jungfrau’n ihn nicht
halten!/
Die Amazone.
Ihr Götter! Rettet! Schützet vor dem
Frechen/
Die Königinn der Jungfrau’n!
Die
Oberpriesterinn.
(zu den Priesterinnen)
Fort!
Hinweg!/
Nicht im Gewühl des Kampfs ist unser Platz./
Die Oberpriesterinn
mit den Priesterinnen
und
den Rosenmädchen
(ab.)
Zehenter Auftritt.
Eine Schaar von
Amazonen (tritt mit Bogen in den Händen auf) Die Vorigen.
Die
erste Amazone.
(in die Scene rufend)
Zurück, Verwegner!
Die Zweite.
Er
hört uns nicht./
Die Dritte.
Ihr Fürstinnen, wenn wir nicht treffen
dürfen,/
So hemmt sich sein wahnsinniger Fortschritt
nicht!/
Die Zweite.
Was ist zu thun? Sprich, Prothoe!
77
Prothoe.
(mit der Königinn
beschäftigt)
So
sendet/
Zehntausend Pfeile über ihn! —
Meroe.
(zu dem Gefolge)
Schafft Wasser!/ 1400
Prothoe.
Doch sorget, daß ihr ihn nicht tödtlich
trefft! —/
Meroe.
Schafft einen Helm voll Wasser, sag’ ich!
Eine
Fürstinn.
(aus dem Gefolge der Königinn)
Hier!
/
(sie schöpft und
bringt)
Die
dritte Amazone.
(zur Prothoe)
Sei ruhig! Fürchte nichts!
Die Erste.
Hier
ordnet euch!/
Die Wangen streift ihm, sengt die Locken
ihm,/
Den Kuß des Todes flüchtig laßt ihn
schmecken!/
(sie bereiten ihre
Bögen)
78
Eilfter Auftritt.
Achilles (ohne
Helm, Rüstung und Waffen, im Gefolge)
einiger Griechen.
Die Vorigen.
Achilles.
Nun? Wem auch gelten diese Pfeil’, ihr
Jungfrau’n?/
Doch diesem unbeschützten Busen nicht?/
Soll ich den seid’nen Latz noch
niederreißen,/
Daß ihr das Herz mir harmlos schlagen
seht?/
Die erste Amazone.
Herunter, wenn du willst, damit!
Die Zweite.
Es
braucht’s nicht!/ 1410
Die Dritte.
Den Pfeil genau, wo er die Hand jetzt hält!/
Die Erste.
Daß er das Herz gespießt ihm, wie ein
Blatt,/
Fort mit sich reiß’ im Flug —
Mehrere.
Schlagt! Trefft!
(sie schießen über sein Haupt
hin)
Achilles.
Laßt,
laßt!/
Mit euren Augen trefft ihr sicherer./
Bei den Olympischen, ich scherze nicht,/
Ich fühle mich im Innersten getroffen,/
Und ein Entwaffneter, in jedem Sinne,/
Leg ich zu euren kleinen Füssen mich./
79
Die
fünfte Amazone.
(von einem Spieß hinter der Scene
hervor getroffen)
Ihr guten Götter! (sie sinkt)
Die
Sechste.
(eben so)
Weh’ mir! (sie sinkt)
Die
Siebente.
(eben so)
Artemis!
(sie sinkt)
/
Die
Erste.
Der Rasende!
Meroe.
(mit der Königinn
beschäfftigt)
Die Unglückselige!
zugleich.
Die zweite Amazone.
Das ›o‹ ist nicht kursiv
gesetzt. Auf eine entsprechende Wiedergabe wird
verzichtet.
Entwaffnet nennt er
sich.
sich. [emendiert ohne Hinweis in
Kommentar]
/ 1420
Prothoe.
(eben so)
Entseelt ist
sie.
sie. [emendiert ohne Hinweis in
Kommentar]
/
zugleich.
Die dritte Amazone.
Indessen uns die Seinen niederwerfen!
Meroe.
Indessen rings umher die Jungfrau’n sinken!/
Was ist zu
thun?
Halbvers steht in der Klammer, obwohl er zum nächsten
Vers gehört und entsprechend nicht ›zugleich‹ gesprochen
werden kann.
zugleich.
Die erste Amazone.
Den
Sichelwagen her!/
Die Zweite.
Die Doggen über ihn!
80
Die Dritte.
Mit
Steinen ihn/
Hochher,
vom
von [nicht emendiert unter
Hinweis auf Sprachhistorie (Recl;Port, Anm. S.
311)].
[DKV], [BKA], [MA] emendieren in ›vom‹. Diese Form findet
sich auch in der Handschrift. [Recl;Port] emendiert nicht
mit Hinweis auf Sprachhistorie (S. 311).
Elephantenthurm begraben!/
Eine
Amazonenfürstinn.
(die Königinn
plötzlich
verlassend)
Wohlan, so will ich das Geschoß versuchen./
(sie wirft den Bogen von der
Schulter und spannt ihn)
Achilles.
(bald zu dieser bald zu jener
Amazone
sich wendend)
Ich kann’s nicht glauben: süß, wie
Silberklang,/
Straft eure Stimme eure Reden Lügen./
Du mit den blauen Augen bist es nicht,/ 1430
Die mir die Doggen reißend schickt, noch
du,/
Die mit der seidenweichen Locke prangt./
Seht, wenn, auf euer übereiltes Wort,/
Jetzt
heulend die Entkoppelten mir nahten,/
So würft ihr noch, mit euern eignen
Leibern,/
Euch zwischen sie und mich, dies
Männerherz,/
Dieß euch in Lieb’ erglühende, zu
schirmen./
Die erste Amazone.
Der Uebermüth’ge!
Die Zweite.
Hört,
wie er sich brüstet!/
Die Erste.
Er meint mit Schmeichelworten uns —
Die
Dritte.
(die Erste geheimnißvoll
rufend)
Oterpe!
/
81
Die
Erste.
(sich umwendend)
Ha, sieh! Die Meisterinn des Bogens jetzt!
—/ 1440
Still öffnet euren Kreis, ihr Frau’n!
Die Fünfte.
Was
giebt’s?/
Die Vierte.
Frag’ nicht! Du wirst es sehn.
Die Achte.
Hier!
Nimm den Pfeil!/
Die
Amazonenfürstinn.
(indem sie den Pfeil auf den
Bogen legt)
Die Schenkel will ich ihm zusammen heften./
Achilles.
(zu einem Griechen, der neben
ihm, schon den Bogen angelegt hat)
Triff sie!
Die
Amazonenfürstinn.
Ihr Himmlischen! (sie sinkt)
Die erste Amazone.
Der
Schreckliche!/
Die Zweite.
Getroffen sinkt sie selbst!
Die Dritte.
Ihr
ewigen Götter!/
Und dort naht uns ein neuer Griechenhaufen!/
82
Zwölfter Auftritt.
Diomedes (mit den)
Ätoliern (treten
von der andern Seite auf. Bald darauf auch)
Ulysses (von der
Seite Achills mit dem Heer)
Diomedes.
Hier meine wackeren Ätolier,/
Heran! (er führt sie
über die Brücke)
Prothoe.
O,
Artemis! Du Heilige! Rette!/
Jetzt ist’s um uns geschehn! (sie trägt
die Königinn,
mit Hülfe einiger Amazonen
wieder auf den Vorgrund der
Scene)
Die
Amazonen.
(in Verwirrung)
Wir
sind gefangen!/
Wir sind umzingelt! Wir sind abgeschnitten!/ 1450
Fort! Rette sich, wer retten kann!
Diomedes.
(zu Prothoe)
Ergebt
euch!/
Meroe.
(zu den flüchtigen
Amazonen)
Ihr Rasenden! Was thut ihr? Wollt ihr stehn?
—/
Prothoe! Sieh her!
Prothoe.
(immer bei der Königinn)
Hinweg!
Verfolge sie,/
Und wenn du kannst, so mach’ uns wieder
frei./
(Die Amazonen zerstreuen
sich. Meroe folgt
ihnen)
Achilles.
Auf jetzt, wo ragt sie mit dem Haupte?
83
Ein Grieche.
Dort!
/
Achilles.
Dem Diomed will ich zehn
Kronen schenken./
Diomedes.
Ergebt euch, sag’ ich noch einmal!
Prothoe.
Dem
Sieger/
Ergeb’ ich sie, nicht dir! Was willst du
auch?/
Der Peleïd’ ist’s, dem sie angehört!/
Diomedes.
So werft sie nieder!
Ein Ätolier.
Auf!
Achilles.
(den Ätolier
zurückstoßend)
Der
weicht ein Schatten/ 1460
Vom Platz, der mir die Königinn berührt! —/
Mein ist sie! Fort! Was habt ihr hier zu suchen
—/
Diomedes.
So! Dein! Ei sieh, bei Zevs, des Donnrers,
Locken,/
Aus welchen Gründen auch? Mit welchem
Rechte?/
Achilles.
Aus einem Grund, der rechts, und einer links.
—/
Gieb.
84
Prothoe.
Hier.
Von deiner Großmuth
fürcht’
fürcht
ich nichts./
Achilles.
(indem er die Königinn in seine
Arme nimmt)
Nichts, nichts. —
(zu Diomedes)
Du
gehst und folgst und schlägst die Frauen;/
Ich bleib’ auf einen Augenblick zurück./
— Fort! Mir zu Lieb’. Erwiedre nichts. Dem
Hades/
Stünd’ ich im Kampf um sie, vielmehr denn
dir!/ 1470
(er legt sie an die Wurzel
einer Eiche nieder)
Diomedes.
Es sei! Folgt mir!
Ulysses.
(mit dem Heer über
die Bühne
ziehend)
Glück
auf, Achill! Glück auf!/
Soll ich dir die
Quadriga rasselnd schicken?/
Achill.
(über die Königinn
geneigt)
Es braucht’s nicht. Laß noch sein.
Ulysses.
Gut.
Wie du willst. —/
Folgt mir! Eh’ sich die Weiber wieder
sammlen./
Ulysses und Diomedes mit dem Heer.
(von der Seite
der Amazonen ab)
85
Dreizehnter Auftritt.
Penthesilea,
Prothoe,
Achilles,
Gefolge von Griechen
und Amazonen.
Achilles.
(indem er der Königinn die
Rüstung öffnet)
Sie lebt nicht mehr.
Prothoe.
O
mögt’ ihr Auge sich/
Für immer diesem öden Licht verschließen!/
Ich fürchte nur zu sehr, daß sie erwacht./
Achilles.
Wo traf ich sie?
Prothoe.
Sie
raffte von dem Stoß sich,/
Der ihr die Brust zerriß, gewaltsam auf;/
Hier führten wir die Wankende heran,/ 1480
Und diesen Fels just wollten wir erklimmen./
Doch sei’s der Glieder, der verwundeten,/
Sei’s der verletzten Seele Schmerz: sie
konnte,/
Daß sie im Kampf gesunken dir, nicht
tragen;/
Der Fuß versagte brechend ihr den Dienst,/
Und Irrgeschwätz von bleichen Lippen
sendend,/
Fiel sie zum zweitenmal mir in den Arm./
Achilles.
Sie zuckte — sahst du es?
Prothoe.
Ihr
Himmlischen!/
86
So hat sie noch den Kelch nicht ausgeleert?/
Seht, o die Jammervolle, seht —
Achilles.
Sie
athmet./ 1490
Prothoe.
Pelide! Wenn du das Erbarmen kennst,/
Wenn ein Gefühl den Busen dir bewegt,/
Wenn du sie tödten nicht, in Wahnsinn
völlig/
Die Leichtgereizte nicht verstricken
willst,/
So gönne eine Bitte mir.
Achilles.
Sprich
rasch!/
Prothoe.
Entferne dich! Tritt, du Vortrefflicher,/
Tritt aus
den
dem [emendiert]
dem [emendiert]
[SE], [BKA] und [MA] emendieren in ›dem‹. Allerdings
zeigt die Handschriftfassung hier auch die Akkusativform.
Deshalb nicht emendiert, ebenso nicht [DKV] und
[Recl;Port]. Antlitz ihr, wenn sie erwacht./
Entrück’ ihr gleich die Schaar, die dich
umsteht,/
Und laß, bevor die Sonne sich erneut,/
Fern auf der Berge Duft ihr niemand nahn,/ 1500
Der sie begrüßte, mit dem Todeswort:/
Du bist die Kriegsgefangene Achills./
Achilles.
So haßt sie mich?
Prothoe.
O frage
nicht, Großherz’ger! —/
Wenn sie jetzt freudig an der Hoffnung Hand/
Ins Leben wiederkehrt, so sei der Sieger/
Das Erste nicht, das freudlos ihr begegnet./
Wie manches regt sich in der Brust der
Frauen,/
87
Das für das Licht des Tages nicht gemacht./
Muß sie zuletzt, wie ihr Verhängniß will,/
Als die Gefangne schmerzlich dich
begrüßen,/ 1510
So fordr’ es früher nicht, beschwör ich
dich!/
Als bis ihr Geist dazu gerüstet steht./
Achilles.
Mein Will’ ist, ihr zu thun, muß ich dir
sagen,/
Wie ich dem stolzen Sohn des Priam that./
Prothoe.
Wie, du Entsetzlicher!
Achilles.
—
Fürchtet sie dies?/
Prothoe.
Du willst das Namenlos’ an ihr
vollstrecken?/
Hier diesen jungen Leib, du Mensch voll
Greuel,/
Geschmückt mit Reizen, wie ein Kind mit
Blumen,/
Du willst ihn schändlich, einer Leiche gleich —
?/
Achilles.
Sag’ ihr, daß ich sie liebe.
Prothoe.
Wie? —
Was war das?/ 1520
Achilles.
Beim Himmel, wie! Wie Männer Weiber lieben;/
Keusch und das Herz voll Sehnsucht doch, in
Unschuld,
/
Und mit der Lust doch, sie darum zu
bringen./
Ich will zu meiner Königinn sie machen./
88
Prothoe.
Ihr ew’gen Götter, sag’ das noch einmal./
— Du willst?
Achilles.
Kann ich nun
bleiben?
Prothoe.
O so
laß/
Mich deine Füsse küssen, Göttlicher!/
O jetzt, wärst du nicht hier, jetzt sucht’ ich
dich,/
Und müßt’s an
Herkuls
Säulen sein, Pelide! —/
Doch sieh’: sie schlägt die Augen auf —
Achilles.
Sie
regt sich —/ 1530
Prothoe.
Jetzt gilt’s! Ihr Männer, fort von hier; und
du/
Rasch hinter diese Eiche berge dich!/
Achilles.
Fort, meine Freunde! Tretet ab.
Das Gefolge des
Achills.
(ab)
Prothoe.
(zu Achill, der sich hinter die
Eiche
stellt)
Noch
tiefer!/
Und eher nicht, beschwör’ ich dich,
erscheine,/
Als bis mein Wort dich ruft. Versprichst du
mir? —/
Es läßt sich ihre Seele nicht berechnen./
Achilles.
Es soll geschehn.
89
Prothoe.
Nun
denn, so merk’ jetzt auf!/
Vierzehnter Auftritt.
Penthesilea, Prothoe,
Achilles. Gefolge von Amazonen.
Prothoe.
Penthesilea! O du Träumerinn!/
In welchen fernen Glanzgefilden schweift/
Dein Geist umher, mit unruhvollem Flattern,/ 1540
Als ob sein eigner Sitz ihm nicht gefiele,/
Indeß das Glück, gleich einem jungen
Fürsten,/
In deinen Busen einkehrt, und, verwundert/
Die liebliche Behausung leer zu finden,/
Sich wieder wendet und zum Himmel schon/
Die Schritte wieder flüchtig setzen will?/
Willst du den Gast nicht fesseln, o du Thörinn?
—/
Komm hebe dich an meine Brust.
Penthesilea.
Wo bin
ich?/
Prothoe.
— Kennst du die Stimme deiner Schwester
nicht?/
Führt jener Fels dich, dieser Brückenpfad,/ 1550
Die ganze blüh’nde Landschaft nicht zurück?/
— Sieh diese Jungfrau’n, welche dich
umringen:/
Wie an den Pforten einer schön’ren Welt,/
90
Steh’n sie, und rufen dir: willkommen! zu./
— Du seufzest. Was beängstigt dich?
Penthesilea.
Ach
Prothoe!/
Welch einen Traum entsetzensvoll träumt ich
—/
Wie süß ist es, ich möchte Thränen weinen,/
Dies mattgequälte Herz, da ich erwache,/
An deinem Schwesterherzen schlagen fühlen —/
— Mir war, als ob, im heftigen Getümmel,/ 1560
Mich des Peliden Lanze traf: umrasselt/
Von meiner erznen Rüstung, schmettr’ ich
nieder;/
Der Boden wiederhallte meinem Sturz./
Und während das erschrockne Heer entweicht,/
Umstrickt an allen Gliedern lieg’ ich noch,/
Da schwingt er sich vom Pferde schon herab,/
Mit Schritten des Triumphes naht er mir,/
Und er ergreift die Hingesunkene,/
In starken Armen hebt er mich empor,/
Und jeder Griff nach diesem Dolch versagt
mir,/ 1570
Gefangen bin ich und mit Hohngelächter/
Zu seinen Zelten werd’ ich abgeführt./
Prothoe.
Nicht, meine beste Königinn! Der Hohn/
Ist seiner grosmuthsvollen Seele fremd./
Wär’ es, was dir im Traum erschien: glaub mir,/
Ein seel’ger Augenblick wär’ dir
beschieden,/
Und in den Staub vielleicht, dir huldigend,/
Sähst du den Sohn der Götter niederfallen./
Penthesilea.
Fluch mir, wenn ich die Schmach erlebte,
Freundinn!
/
91
Fluch mir, empfieng’ ich jemals einen Mann,/ 1580
Den mir das Schwerdt nicht würdig
zugeführt./
Prothoe.
Sei ruhig, meine Königinn.
Penthesilea.
Wie!
Ruhig —/
Prothoe.
Liegst du an meinem treuen Busen nicht?/
Welch ein Geschick auch über dich verhängt
sei,/
Wir tragen es, wir beide: fasse dich./
Penthesilea.
Ich war so ruhig, Prothoe, wie das Meer,/
Das in der Bucht des Felsen liegt; nicht
ein/
Gefühl, das sich in Wellen mir erhob./
Dies Wort: sei ruhig! jagt mich plötzlich
jetzt,/
Wie Wind die offnen Weltgewässer, auf./ 1590
Was ist es denn, das Ruh’ hier nöthig macht?
—/
Ihr steht so seltsam um mich, so verstört —/
— Und sendet Blicke, bei den ew’gen
Göttern,/
In meinen Rücken hin, als stünd ein Unhold,/
Mit wildem Antlitz dräuend, hinter mir./
— Du hörst’s, es war ja nur ein Traum, es ist
nicht
—
/
Wie! Oder ist es? Ist’s? Wär’s wirklich? Rede!
—/
— Wo ist denn Meroe?
Megaris ?
(sie sieht sich um und
erblickt den Achilles).
Entsetzlich!
/
Da steht der Fürchterliche hinter mir./
Jetzt meine freie Hand —
(sie zieht den
Dolch)
92
Prothoe.
Unglückliche!
/ 1600
Penthesilea.
O die Nichtswürdige, sie wehret mir —/
Prothoe.
Achilles! Rette sie.
Penthesilea.
O
Rasende!/
Er soll den Fuß auf meinen Nacken setzen./
Prothoe.
Den Fuß, Wahnsinnige —
Penthesilea.
Hinweg, sag’ ich! —/
Prothoe.
So sieh ihn doch nur an, Verlorene — !/
Steht er nicht ohne Waffen hinter dir?/
Penthesilea.
Wie? Was?
Prothoe.
Nun ja!
Bereit, wenn du’s verlangst,/
Selbst deinem
Fesselkranz sich darzubieten./
Penthesilea.
Nein, sprich.
Prothoe.
Achill!
Sie glaubt mir nicht. Sprich du!/
93
Penthesilea.
Er wär’ gefangen mir?
Prothoe.
Wie
sonst? Ist’s nicht?/ 1610
Achilles.
(der während dessen
vorgetreten)
In jedem schön’ren Sinn, erhabne Königinn!/
Gewillt mein ganzes Leben fürderhin,/
In deiner Blicke Fesseln zu verflattern./
Penthesilea.
(drückt ihre Hände vor’s
Gesicht)
Prothoe.
Nun denn, da hörtest du’s aus seinem Mund./
— Er sank, wie du, als ihr euch traft, in
Staub;/
Und während du entseelt am Boden lagst,/
Ward er entwaffnet — nicht?
Achilles.
Ich
ward entwaffnet;/
Man führte mich zu deinen Füssen her./
(er beugt ein Knie vor
ihr)
Penthesilea.
(nach einer kurzen Pause)
Nun denn, so sei mir, frischer
Lebensreiz,
/
Du junger, rosenwang’ger Gott, gegrüßt!/ 1620
Hinweg jetzt, o mein Herz, mit diesem
Blute,/
Das aufgehäuft, wie seiner Ankunft harrend,/
In beiden Kammern dieser Brüste liegt./
Ihr Boten, ihr geflügelten, der Lust,/
Ihr Säfte meiner Jugend, macht euch auf,/
Durch meine Adern fleucht, ihr jauchzenden,/
94
Und laßt es einer rothen Fahne gleich,/
Von allen Reichen dieser Wangen wehn:/
Der junge Nereïdensohn ist mein!/
(sie steht auf)
Prothoe.
O meine theu’re Königinn, mäß’ge dich./ 1630
Penthesilea.
(indem sie vorschreitet)
Heran, ihr sieggekrönten Jungfrau’n jetzt,/
Ihr Töchter Mars, vom Wirbel bis zur Sohle/
Vom Staub der Schlacht noch überdeckt,
heran,/
Mit dem
Argiverjüngling
jegliche,/
Den sie sich überwunden, an der Hand!/
Ihr Mädchen, naht euch, mit den
Rosenkörben:/
Wo sind für soviel
Scheitel Kränze mir?/
Hinaus mir über die
Gefilde , sag’ ich,/
Und mir die Rosen, die der
Lenz verweigert,/
Mit eurem Athem aus der Flur gehaucht!/ 1640
An euer Amt, ihr Priest’rinnen der
Diana :/
Daß eures Tempels Pforten rasselnd auf,/
Des glanzerfüllten, weihrauchduftenden,/
Mir, wie des Paradieses Thore, fliegen!/
Zuerst den Stier, den feisten,
kurzgehörnten,/
Mir an den Altar hin; das Eisen stürz’ ihn,/
Das blinkende, an heil’ger Stätte lautlos,/
Daß das Gebäu erschüttere, darnieder./
Ihr Dien’rinnen, ihr rüstigen, des Tempels,/
Das Blut, wo seid ihr? rasch, ihr Emsigen,/ 1650
Mit Perserölen, von der Kohle zischend,/
Von des Getäfels Plan hinweggewaschen!/
Und all’ ihr flatternden Gewänder, schürzt
euch,/
Ihr goldenen Pockale, füllt euch an,/
95
Ihr Tuben, schmettert, donnert, ihr
Posaunen,/
Der Jubel mache, der melodische,/
Den festen Bau des Firmamentes beben! —/
O Prothoe! Hilf jauchzen mir, frohlocken,/
Erfinde, Freundinn, Schwesterherz, erdenke,/
Wie ich ein Fest jetzt göttlicher, als der/ 1660
Olymp durchjubelte, verherrliche,/
Das Hochzeitsfest der krieggeworbnen
Bräute,/
Der Inachiden und der
Kinder Mars! —/
O Meroe, wo bist du?
Megaris ?/
Prothoe.
(mit unterdrückter
Rührung)
Freud’ ist und Schmerz dir, seh’ ich, gleich
verderblich,
/
Und gleich zum Wahnsinn reißt dich beides
hin./
Du wähnst, wähnst dich in
Themiscyra schon,/
Und wenn du so die Gränzen überschwärmst,/
Fühl’ ich gereizt mich, dir das Wort zu
nennen,/
Das dir den Fittig plötzlich wieder lähmt./ 1670
Blick’ um dich her, Betrogene, wo bist du?/
Wo ist das Volk? Wo sind die Priesterinnen?/
Asteria? Meroe? Megaris? Wo sind sie?/
Penthesilea.
(an ihrem Busen)
O laß mich, Prothoe! O laß dies Herz/
Zwei Augenblick’ in diesem Strom der Lust,/
Wie ein besudelt Kind, sich untertauchen;/
Mit jedem Schlag in seine üpp’gen Wellen/
Wäscht sich ein Mackel mir vom Busen weg./
Die Eumeniden fliehn,
die schrecklichen,/
Es weht, wie Nahn der Götter um mich her,/ 1680
Ich möchte gleich in ihren Chor mich
mischen,/
96
Zum Tode war ich nie so reif als jetzt./
Doch jetzt vor Allem: du vergiebst mir
doch?/
Prothoe.
O meine Herrscherinn!
Penthesilea.
Ich
weiß, ich weiß —/
Nun, meines Blutes beß’re Hälft’ ist dein./
— Das Unglück, sagt man, läutert die
Gemüther,/
Ich, du Geliebte, ich empfand es nicht;/
Erbittert hat es, Göttern mich und Menschen/
In unbegriff’ner Leidenschaft empört./
Wie seltsam war, auf jedem Antlitz, mir,/ 1690
Wo ich sie traf, der Freude Spur verhaßt;/
Das Kind, das in der Mutter Schooße
spielte,/
Schien mir verschworen wider meinen
Schmerz./
Wie mögt’ ich Alles jetzt, was mich
umringt,/
Zufrieden gern und glücklich sehn! Ach,
Freundinn!
/
Der Mensch kann groß, ein Held, im Leiden
sein,/
Doch göttlich ist er, wenn er selig ist!/
— Doch rasch zur Sache jetzt. Es soll das
Heer/
Zur Rückkehr schleunig jede Anstalt
treffen;/
Sobald die Schaaren ruhten, Thier und
Menschen,/ 1700
Bricht auch der Zug mit den Gefangenen,/
Nach unsern heimathlichen Fluren auf. —/
— Wo ist Lykaon ?
Prothoe.
Wer?
Penthesilea.
(mit zärtlichem Unwillen)
Wer,
fragst du noch!/
97
Er, jener blühende Arkadierheld,/
Den dir das Schwerdt erwarb. Was hält ihn
fern?/
Prothoe.
(verwirrt)
Er weilt noch in den Wäldern, meine
Königinn!/
Wo man die übrigen Gefangnen hält./
Vergönne, daß er, dem Gesetz gemäß,/
Eh’ nicht, als in der Heimath mir
erscheine./
Penthesilea.
Man ruf’ ihn mir! — Er weilt noch in den
Wäldern!
/ 1710
— Zu meiner Prothoe Füssen ist sein Platz!/
— — Ich bitte dich, Geliebte, ruf’ ihn her,/
Du stehst mir, wie ein Maienfrost, zur
Seite,/
Und hemmst der Freude junges Leben mir./
Prothoe.
(für sich)
Die Unglückseelige! — Wohlan so geht,/
Und thut, wie euch die Königinn befohlen./
(sie winkt einer Amazone;
diese geht ab)
Penthesilea.
Wer schafft mir jetzt die Rosenmädchen her?/
(sie erblickt Rosen auf dem
Boden)
Sieh! Kelche finden, und wie duftende,/
Auf diesem Platz sich — !
(sie fährt sich mit der Hand
über die Stirne)
Ach
mein böser Traum!/
(zu Prothoe)
War
War’ [nicht emendiert]
Die Handschrift zeigt kein Apostroph. Es liegt auch keine
Auslassung vor. [DKV] und [Recl;Port] emendieren
nicht. denn der Diana Oberpriest’rinn hier?/ 1720
98
Prothoe.
Nicht, daß ich wüßte, meine Königinn —/
Penthesilea.
Wie kommen denn die Rosen her?
Prothoe.
(rasch)
Sieh
da!/
Die Mädchen, die die Fluren plünderten,/
Sie ließen einen Korb voll hier zurück./
Nun, diesen Zufall wahrlich nenn’ ich
günstig./
Hier, diese duft’gen Blüthen raff’ ich auf,/
Und winde den Pelidenkranz dir. Soll ich?/
(sie setzt sich an der Eiche
nieder)
Penthesilea.
Du Liebe! Treffliche! Wie du mich rührst. —/
Wohlan! Und diese Hundertblättrigen/
Ich dir zum Siegerkranz
Lykaons . Komm./ 1730
(sie rafft gleichfalls
einige Rosen auf, und setzt sich neben
Prothoe nieder)
Musik, ihr Frau’n, Musik! Ich bin nicht
ruhig./
Laßt den Gesang erschallen! Macht mich
still./
Eine
Jungfrau.
(aus ihrem Gefolge)
Was wünschest du?
Eine Andere.
Den Siegsgesang?
Penthesilea.
— Die
Hymne./
99
Die Jungfrau.
Es sei. — O die Betrogene! — Singt! Spielt!/
Chor
der Jungfraun.
(mit Musik)
Ares entweicht!/
Seht, wie sein weißes Gespann/
Fernhin dampfend zum Orkus niedereilt!/
Die Eumeniden öffnen, die scheußlichen:/
Sie schließen die Thore wieder hinter ihm
zu./
Eine Jungfrau.
Hymen ! Wo weilst du?/ 1740
Zünde die Fackel an, und leuchte! leuchte!/
Hymen! wo weilst du?/
Chor.
Ares entweicht! u. s. w./
Achilles.
(nähert sich während des Gesanges
der
Prothoe heimlich)
Sprich! Wohin führt mich dies? Ich will es
wissen!
/
Prothoe.
Noch einen Augenblick, Großherziger,/
Fleh’ ich dich um Geduld — du wirst es
sehn./
(Wenn die Kränze gewunden sind, wechselt
Penthesi lea
den ihrigen gegen den
Kranz der Prothoe, sie
umarmen sich und betrachten die
Windungen. Die Musik schweigt)
Die
Amazone.
(kehrt zurück)
Penthesilea.
Hast du’s bestellt?
100
Die Amazone.
Lykaon
wird sogleich,/
Der junge Prinz Arkadiens, erscheinen./
Fünfzehnter Auftritt.
Penthesilea, Prothoe,
Achilles, Amazonen.
Penthesilea.
Komm jetzt, du süsser Nereidensohn,/
Komm, lege dich zu Füssen mir — Ganz her!/ 1750
Nur dreist heran! — — Du fürchtest mich doch
nicht?
/
— Verhaßt nicht, weil ich siegte, bin ich
dir?/
Sprich! Fürchtest du, die dich in Staub
gelegt?/
Achilles.
(zu ihren Füssen)
Wie Blumen Sonnenschein.
Penthesilea.
Gut,
gut gesagt!/
So sieh mich auch wie deine Sonne an. —/
Diana, meine Herrscherinn, er ist/
Verletzt!
Achilles.
Geritzt
am Arm, du siehst, nichts weiter./
Penthesilea.
Ich bitte dich, Pelide, glaube nicht,/
Daß ich jemals nach deinem Leben zielte./
101
Zwar gern mit diesem Arm hier traf ich
dich;/ 1760
Doch als du niedersankst,
beneidete,
beneidete [emendiert]
beneidete [emendiert]
In der Handschriftfassung folgt auf ›beneidete‹ kein
Komma, was syntaktisch auch richtig ist. Allerdings
spricht einiges dafür, daß das Komma als Signal für eine
rethorisch-intonatorische Pause dient. [BKA] und [MA]
emendieren in ›beneidete‹, ebenso [SE]. [DKV] und
[Recl;Port] belassen es bei ›beneidete,‹.
/
Hier diese Brust den Staub, der dich
empfieng./
Achilles.
Wenn du mich liebst, so sprichst du nicht
davon./
Du siehst es heilt schon.
Penthesilea.
So
verzeihst du mir?/
Achilles.
Von ganzem Herzen. —
Penthesilea.
Jetzt —
kannst du mir sagen,/
Wie es die Liebe macht, der
Flügelknabe ,/
Wenn sie den störr’gen Leun in Fesseln
schlägt?/
Achilles.
Sie streichelt, denk’ ich, seine rauhen
Wangen,/
So hält er still.
Penthesilea.
Nun
denn, so wirst du dich/
Nicht mehr als eine junge Taube regen,/ 1770
Um deren Hals ein Mädchen Schlingen legt./
Denn die Gefühle dieser Brust, o Jüngling,/
Wie Hände sind sie, und sie streicheln
dich./
(sie umschlingt ihn mit
Kränzen)
Achilles.
Wer bist du, wunderbares Weib?
102
Penthesilea.
Gieb
her. —/
Ich sagte still! Du wirst es schon
erfahren./
— Hier diese leichte Rosenwindung nur/
Um deine Scheitel, deinen Nacken hin —/
Zu deinen Armen, Händen, Füssen nieder —/
Und wieder auf zum Haupt — — so ist’s
geschehn./
— Was athmest du?
Achilles.
Duft
deiner süssen Lippen./ 1780
Penthesilea.
(indem sie sich
zurückbeugt)
Es sind die Rosen, die Gerüche streun./
— Nichts, nichts!
Achilles.
Ich
wollte sie am Stock versuchen./
Penthesilea.
Sobald sie reif sind, Liebster, pflückst du
sie./
(sie setzt ihm noch einen Kranz auf die
Scheitel und läßt ihn
gehn)
gehen)
Jetzt ist’s geschehn. — O sieh, ich bitte
dich,/
Wie der zerfloßne Rosenglanz ihm steht!/
Wie sein gewitterdunkles Antlitz schimmert!/
Der junge Tag, wahrhaftig, liebste
Freundinn,/
Wenn ihn die Horen von
den Bergen führen,/
Demanten perlen unter
seinen Tritten:/
Er sieht so weich und mild nicht drein, als er.
—/ 1790
Sprich! Dünkt’s dich nicht, als ob sein Auge
glänzte? —
/
103
Fürwahr! Man mögte, wenn er so erscheint, fast
zweifeln,
/
Daß er es sei.
Prothoe.
Wer, meinst du?
Penthesilea.
Das ›s‹ in Penthesilea ist nicht kursiv
gesetzt. Auf eine Wiedergabe wird
verzichtet.
Der
Pelide! —/
Sprich, wer den Größesten der Priamiden/
Vor Trojas Mauern fällte, warst das du?/
Hast du ihm wirklich, du, mit diesen Händen/
Den flücht’gen Fuß durchkeilt, an deiner
Axe/
Ihn häuptlings um die Vaterstadt geschleift?
—/
Sprich! Rede! Was bewegt dich so?
Was
fehlt dir?
/
Achilles.
Ich bin’s.
Penthesilea.
(nachdem sie ihn scharf
angesehen)
Er sagt, er sei’s.
Prothoe.
Er ist
es, Königinn;/ 1800
An diesem Schmuck hier kannst du ihn
erkennen./
Penthesilea.
Woher?
Prothoe.
Es ist
die Rüstung, sieh nur her,/
Die Thetis ihm, die hohe
Göttermutter,/
Bei dem Hephäst , des
Feuers Gott, erschmeichelt./
104
Penthesilea.
Nun denn, so grüß ich dich mit diesem
Kuß,/
Unbändigster der Menschen, mein! Ich bin’s,/
Du junger Kriegsgott, der du angehörst;/
Wenn man im Volk dich fragt, so nennst du mich./
Achilles.
O du, die eine Glanzerscheinung mir,/
Als hätte sich das Aetherreich eröffnet,/ 1810
Herabsteigst, Unbegreifliche, wer bist du?/
Wie nenn ich dich, wenn meine eigne Seele/
Sich, die entzückte, fragt, wem sie gehört?/
Penthesilea.
Wenn sie dich fragt, so nenne diese Züge,/
Das sei der Nam’, in welchem du mich denkst.
—/
Zwar diesen goldnen Ring hier schenk’ ich
dir,/
Mit jedem Merkmal, das dich sicher stellt;/
Und zeigst du ihn, so weis’t man dich zu
mir./
Jedoch ein Ring vermiß’t sich, Namen
schwinden;/
Wenn dir der Nam’
entschwänd,
entschwand,
der Ring sich mißte:
/ 1820
Fänd’st du mein Bild in dir wohl wieder
aus?/
Kannst du’s wohl mit geschloßnen Augen
denken?/
Achilles.
Es steht so fest, wie Züg’ in Diamanten./
Penthesilea.
Ich bin die Königinn der Amazonen,/
Er nennt sich
Marserzeugt , mein Völkerstamm,/
Otrere war die große
Mutter mir,/
Und mich begrüßt das Volk: Penthesilea./
105
Achilles.
Penthesilea.
Penthesilea.
Ja, so
sagt’ ich dir./
Achilles.
Mein Schwan singt noch im Tod’:
Penthesilea./
Penthesilea.
Die Freiheit schenk’ ich dir, du kannst den
Fuß/ 1830
Im Heer der Jungfraun setzen, wie du
willst./
Denn eine andre Kette denk’ ich noch,/
Wie Blumen leicht, und fester doch, als
Erz,/
Die dich mir fest verknüpft, um’s Herz zu
schlagen./
Doch bis sie zärtlich, Ring um Ring,
geprägt,/
In der Gefühle Glut, und ausgeschmiedet,/
Der Zeit nicht, und dem Zufall, mehr
zerstörbar,/
Kehrst du, weil es die Pflicht erheischt, mir
wieder,
/
Mir, junger Freund, versteh’ mich, die für
jedes,/
Sei’s ein Bedürfniß, sei’s ein Wunsch, dir
sorgt./ 1840
Willst du das thun, sag an?
Achilles.
Wie
junge Rosse/
Zum Duft der Krippe, die ihr Leben nährt./
Penthesilea.
Gut. Ich verlaß’ mich drauf. Wir treten
jetzt/
Die Reise gleich nach Themiscyra an;/
Mein ganzer Harras bis
dahin ist dein./
Man wird dir purpurne Gezelte bringen,/
106
Und auch an Sclaven nicht, dich zu
bedienen,/
Wird’s deinem königlichen Willen fehlen./
Doch weil mich, auf dem Zuge, du begreifst,/
So manche Sorge fesselt, wirst du dich/ 1850
Noch zu den übrigen Gefangnen halten:/
In Themiscyra erst, Neridensohn,/
Kann ich mich ganz, aus voller Brust, dir
weihn./
Achilles.
Es soll geschehn.
Penthesilea.
(zu Prothoe)
Nun
aber sage mir,/
Wo weilt auch dein Arkadier?
Prothoe.
Meine
Fürstinn —/
Penthesilea.
So gern von deiner Hand, geliebte Prothoe,/
Mögt’ ich bekränzt ihn sehn.
Prothoe.
Er wird
schon kommen. —/
Der Kranz hier soll ihm nicht verloren
gehn./
Penthesilea.
(aufbrechend)
Nun denn — mich rufen mancherlei
Geschäffte,/
So laßt mich gehn.
Achilles.
Wie?
107
Penthesilea.
Laß
mich aufstehn, Freund./ 1860
Achilles.
Du fliehst? Du weichst? Du lässest mich
zurück?/
Noch eh’ du meiner sehnsuchtsvollen Brust/
So vieler Wunder Aufschluß gabst,
Geliebte?/
Penthesilea.
In Themiscyra, Freund.
Achilles.
Hier,
meine Königinn!/
Penthesilea.
In Themiscyra, Freund, in Themiscyra —/
Laß mich!
Prothoe.
(sie zurückhaltend,
unruhig)
Wie?
Meine Königinn! Wo willst du hin?/
Penthesilea.
(befremdet)
Die Schaaren will ich mustern — sonderbar!/
Mit Meroe will ich sprechen, Megaris./
Hab’ ich, beim Styx, jetzt nichts zu thun, als
plaudern?
/
Prothoe.
Das Heer verfolgt die flücht’gen Griechen noch.
—/ 1870
Laß Meroe, die die Spitze führt, die
Sorge;/
Du brauchst der Ruhe noch. — Sobald der
Feind/
Nur völlig über den Skamandros setzte,/
Wird dir das Heer hier siegreich
vorgeführt./
108
Penthesilea.
(erwägend)
So! — — Hier auf dieses Feld? Ist das
gewiß?/
Prothoe.
Gewiß. Verlaß dich drauf. —
Penthesilea.
(zum Achill)
Nun so
sei kurz./
Achilles.
Was ist’s, du wunderbares Weib, daß du,/
Athenä gleich, an eines Kriegsheers Spitze,/
Wie aus den Wolken nieder, unbeleidigt,/
In unsern Streit vor Troja plötzlich
fällst?/ 1880
Was treibt, vom Kopf zu Fuß in Erz
gerüstet,/
So unbegriffner Wuth voll,
Furien ähnlich,/
Dich gegen das Geschlecht der Griechen an;/
Du, die sich bloß in ihrer Schöne ruhig/
Zu zeigen brauchte, Liebliche, das ganze/
Geschlecht der Männer dir im Staub zu sehn?/
Penthesilea.
Ach, Nereïdensohn ! — Sie
ist mir nicht,/
Die Kunst vergönnt, die sanftere, der
Frauen!/
Nicht bei dem Fest, wie deines Landes
Töchter,/
Wenn zu wetteifernd frohen Übungen/ 1890
Die ganze Jugendpracht zusammenströmt,/
Darf ich mir den Geliebten ausersehn;/
Nicht mit dem Strauß, so oder so gestellt,/
Und dem verschämten Blick, ihn zu mir
locken;/
Nicht in dem Nachtigall-durchschmetterten/
Granatwald , wenn der
Morgen glüht, ihm sagen,/
An seine Brust gesunken, daß er’s sei./
109
Im blut’gen Feld der Schlacht muß ich ihn
suchen,/
Den Jüngling, den mein Herz sich auserkohr,/
Und ihn mit ehrnen Armen mir ergreifen,/ 1900
Den diese weiche Brust empfangen soll./
Achilles.
Und woher quillt, von wannen ein Gesetz,/
Unweiblich, du vergiebst mir, unnatürlich,/
Dem übrigen Geschlecht der Menschen fremd?/
Penthesilea.
Fern aus der Urne alles Heiligen,/
O Jüngling: von der Zeiten Gipfeln nieder,/
Den unbetretnen, die der Himmel ewig/
In Wolkenduft geheimnißvoll verhüllt./
Der ersten Mütter Wort entschied es also,/
Und dem verstummen wir, Neridensohn,/ 1910
Wie deiner ersten Väter Worten du./
Achilles.
Sei deutlicher.
Penthesilea.
Wohlan! So höre mich. —/
Wo jetzt das Volk der Amazonen herrschet,/
Da lebte sonst, den Göttern unterthan,/
Ein Stamm der Scythen, frei und
kriegerisch,/
Jedwedem andern Volk der Erde gleich./
Durch Reih’n schon nannt’ er von
Jahrhunderten/
Den Kaukasus, den fruchtumblühten, sein:/
Als Vexoris , der
Aethioper
Äthioper [Siehe Kommentar S. 384:
›werden auch die Umlaute in E nicht modernisiert resp.
vereinheitlicht‹.]
König,/
An seinem Fuß erschien, die Männer rasch,/ 1920
Die kampfverbundnen, vor sich niederwarf,/
Sich durch die Thäler goß, und Greis’ und
Knaben,/
110
Wo sein gezückter Stahl sie traf, erschlug:/
Das ganze Prachtgeschlecht der Welt gieng
aus./
Die Sieger bürgerten, barbarenartig,/
In unsre Hütten frech sich ein, ernährten/
Von unsrer reichen Felder Früchten sich,/
Und voll der Schande Maas uns zuzumessen,/
Ertrotzten sie der Liebe Gruß sich noch:/
Sie rissen von den Gräbern ihrer Männer/ 1930
Die Fraun zu ihren schnöden Betten hin./
Achilles.
Vernichtend war das Schicksal, Königinn,/
Das deinem Frauenstaat das Leben gab./
Penthesilea.
Doch Alles schüttelt, was ihm unerträglich,/
Der Mensch von seinen Schultern sträubend
ab;/
Den Druck nur mäß’ger Leiden duldet er./
Durch ganze Nächte lagen, still und
heimlich,/
Die Frau’n im Tempel Mars, und höhlten
weinend/
Die Stufen mit Gebet um Rettung aus./
Die Betten füllten, die entweihten, sich/ 1940
Mit blankgeschliff’nen Dolchen an, gekeilt,/
Aus Schmuckgeräthen, bei des Heerdes
Flamme,/
Aus Senkeln, Ringen, Spangen: nur die
Hochzeit/
Ward, des Aethioper Königs Vexoris/
Mit Tanaïs , der
Königinn, erharrt,/
Der Gäste Brust zusammt damit zu küssen./
Und als das Hochzeitsfest erschienen war,/
Stieß ihm die Kön’ginn ihren in das Herz;/
Mars, an des Schnöden Statt, vollzog die
Ehe,/
Und das gesammte Mordgeschlecht, mit
Dolchen,/ 1950
In einer Nacht, ward es zu Tod gekitzelt./
111
Achilles.
Solch’ eine That der Weiber läßt sich
denken./
Penthesilea.
Und dies jetzt ward im Rath des Volks
beschlossen:/
Frei, wie der Wind auf offnem
Blachfeld,
sind/
Die Frau’n, die solche Heldenthat
vollbracht,/
Und dem Geschlecht der Männer nicht mehr
dienstbar.
/
Ein Staat, ein mündiger, sei aufgestellt,/
Ein Frauenstaat, den fürder keine andre/
Herrschsücht’ge Männerstimme mehr
durchtrotzt,/
Der das Gesetz sich würdig selber gebe,/ 1960
Sich selbst gehorche, selber auch
beschütze:/
Und Tanaïs sei seine Königinn./
Der Mann, deß’ Auge diesen Staat erschaut,/
Der soll das Auge gleich auf ewig
schließen;/
Und wo ein Knabe noch gebohren wird,/
Von der Tyrannen Kuß, da folg’ er gleich/
Zum Orkus noch den wilden Vätern nach./
Der Tempel Ares füllte sich sogleich/
Gedrängt mit Volk, die große Tanaïs/
Zu solcher Satzung Schirmerinn zu krönen./ 1970
Gerad’ als sie, im festlichsten Moment,/
Die Altarstuf’
erstieg,
um dort den Bogen,/
Den großen, goldenen, des Scythenreichs,/
Den sonst die Könige geführt, zu
greifen,
/
Von der geschmückten Oberpriesterinn Hand,/
Ließ eine Stimme also sich vernehmen:/
„Den Spott der Männer werd’ er reizen nur,/
Ein Staat, wie der, und gleich dem ersten
Anfall/
Des kriegerischen Nachbarvolks erliegen:/
112
Weil doch die Kraft des Bogens nimmermehr,/ 1980
Von schwachen Frau’n beengt durch volle
Brüste,/
Leicht, wie von Männern, sich regieren
würde.“/
Die Königinn stand einen Augenblick,/
Und harrte still auf solcher Rede Glück;/
Doch als die feige Regung um sich griff,/
Riß sie die rechte Brust sich ab, und
taufte
taufte: [nicht emendiert]
In
der Handschrift steht ›taufte,‹, die Phöbusfassung beläßt
es bei ›taufte‹. [SE], [BKA] und [MA] folgen der
Phöbusfassung und verzichten auf ein Satzzeichen. [DKV]
und [Recl;Port] belassen es bei ›taufte:‹, wobei letztere
u. a. auf Vers 1961 verweist. Hier wird der Phöbusfassung
gefolgt und emendiert in ›taufte‹, auch weil im
übernächsten Vers 1988 mit einem Doppelpunkt schon die
nächste rethorisch-intonatorische Pause folgt.
/
Die Fraun, die den Bogen spannen würden,/
Und fiel zusammen, eh’ sie noch vollendet:/
Die Amazonen oder Busenlosen! —/
Hierauf ward ihr die Krone aufgesetzt./ 1990
Achilles.
Nun denn, beim
Zeus,
die brauchte keine Brüste!/
Die hätt’ ein Männervolk beherrschen
können,/
Und meine ganze Seele beugt sich ihr./
Penthesilea.
Still auch auf diese That ward’s, Peleïde,/
Nichts als der Bogen ließ sich schwirrend
hören,/
Der aus den Händen, leichenbleich und
starr,/
Der Oberpriesterinn daniederfiel./
Er stürzt’, der große, goldene, des
Reichs,/
Und klirrte von der Marmorstufe dreimal,/
Mit dem Gedrön der Glocken, auf, und legte,/ 2000
Stumm wie der Tod, zu ihren Füssen sich. —/
Achilles.
Man folgt ihr, hoff’ ich doch, im Staat der
Frauen,/
In diesem Beispiel nicht?
Penthesilea.
Nicht
— allerdings!/
Man gieng so lebhaft nicht zu Werk als sie./
113
Achilles.
(mit Erstaunen)
Wie! Also doch — ? Unmöglich!
Penthesilea.
Was
sagst du?/
Achilles.
— Die ungeheure Sage wäre wahr?/
Und alle diese blühenden Gestalten,/
Die dich umstehn, die Zierden des
Geschlechts,/
Vollständig, einem Altar gleich, jedwede/
Geschmückt, in Liebe davor hinzuknien,/ 2010
Sie sind beraubt, unmenschlich, frevelhaft —
?/
Penthesilea.
Hast du das nicht gewußt?
Achilles.
(indem er sein Gesicht an ihre
Brust drückt)
O
Königinn!/
Der Sitz der jungen, lieblichen Gefühle,/
Um eines Wahns, barbarisch —
Penthesilea.
Sei
ganz ruhig./
Sie retteten in diese Linke sich,/
Wo sie dem Herzen um so näher wohnen./
Du wirst mir, hoff’ ich, deren keins vermissen.
—/
Achilles.
Fürwahr! Ein Traum, geträumt in
Morgenstunden,
/
Scheint mir wahrhaft’ger, als der
Augenblick./
— Doch weiter.
114
Penthesilea.
Wie?
Achilles.
— Du
bist den Schluß noch schuldig./ 2020
Denn dieser überstolze Frauenstaat,/
Der ohn’ der Männer Hülf’ entstand, wie pflanzt
er/
Doch ohne Hülfe sich der Männer fort?/
Wirft euch Deukalion ,
von Zeit zu Zeit,/
Noch seiner Schollen Eine häuptlings
zu?
zu. [nicht emendiert]
Sowohl die Phöbusfassung wie die Handschrift
beenden den Vers mit einem Fragezeichen: ›häuptlings zu?‹.
Hier wird entsprechend emendiert. [DKV] und [Recl;Port]
emendieren nicht.
/
Penthesilea.
So oft nach jährlichen Berechnungen,/
Die Königinn dem Staat ersetzen will,/
Was ihr der
Todt
Tod [emendiert]
Tod [emendiert]
entrafft, ruft sie die blühendsten/
Der Frauen —
(stockt und sieht ihn
an)
Warum lächelst du?
Achilles.
Wer?
Ich?/
Penthesilea.
Mich dünkt, du lächelst, Lieber.
Achilles.
—
Deiner Schöne./ 2030
Ich war zerstreut. Vergieb. Ich dachte
eben,/
Ob du mir aus dem Monde niederstiegst? —/
Penthesilea.
(nach einer Pause)
So oft, nach jährlichen Berechnungen,/
Die Königinn, was ihr der Tod entrafft,/
115
Dem Staat ersetzen will, ruft sie die
blüh’ndsten/
Der Fraun, von allen Enden ihres Reichs,/
Nach Themiscyra hin, und fleht, im Tempel/
Der Artemis, auf ihre jungen Schöße/
Den Seegen keuscher Marsbefruchtung nieder./
Ein solches Fest heißt, still und weich
gefeiert,/ 2040
Der blühnden Jungfraun Fest, wir warten
stets,/
Bis — wenn das Schneegewand zerhaucht, der Frühling
/
Den Kuß drückt auf den Busen der Natur./
Diana’s heil’ge Priesterinn verfügt,/
Auf dies Gesuch, sich in den Tempel Mars,/
Und trägt, am Altar hingestreckt, dem Gott/
Den Wunsch der weisen Völkermutter vor./
Der Gott dann, wenn er sie erhören will,/
— Denn oft verweigert er’s, die Berge
geben,/
Die schneeigen, der Nahrung nicht zu viel —/ 2050
Der Gott zeigt uns, durch seine
Priesterinn,/
Ein Volk an, keusch und herrlich, das, statt
seiner,
/
Als Stellvertreter, uns erscheinen soll./
Des Volkes Nam’ und Wohnsitz ausgesprochen,/
Ergeht ein Jubel nun durch Stadt und Land./
Marsbräute werden sie begrüßt, die
Jungfraun,/
Beschenkt mit Waffen, von der Mütter Hand,/
Mit Pfeil’ und Dolch, und allen Gliedern
fliegt,/
Von ems’gen Händen jauchzend rings bedient,/
Das erzene Gewand der Hochzeit an./ 2060
Der frohe Tag der Reise wird bestimmt,/
Gedämpfter Tuben Klang ertönt, es schwingt/
Die Schaar der Mädchen flüsternd sich zu
Pferd,/
Und still und heimlich, wie auf woll’nen
Sohlen,/
Geht’s in der Nächte Glanz, durch Thal und
Wald,/
116
Zum Lager fern der Auserwählten hin./
Das Land erreicht, ruhn wir, an seiner
Pforte,/
Uns noch zwei Tage, Thier’ und Menschen,
aus:/
Und wie die feuerrothe Windsbraut brechen/
Wir plötzlich in den Wald der Männer ein,/ 2070
Und wehn die Reifsten derer, die da fallen,/
Wie Saamen, wenn die Wipfel sich
zerschlagen,/
In unsre heimathlichen Fluren hin./
Hier pflegen wir, im Tempel Diana’s, ihrer,/
Durch heil’ger Feste Reih’n, von denen mir/
Bekannt nichts, als der Name: Rosenfest —/
Und denen sich, bei Todesstrafe, niemand,/
Als nur die Schaar der Bräute nahen darf —/
Bis uns die Saat selbst blühend
aufgegangen;/
Beschenken sie, wie Könige zusammt;/ 2080
Und schicken sie, am Fest der reifen
Mütter,/
Auf stolzen Prachtgeschirren wieder heim./
Dies Fest dann freilich ist das frohste
nicht,/
Neridensohn — denn viele Thränen fließen,/
Und manches Herz, von düsterm Gram
ergriffen,/
Begreift nicht, wie die große Tanaïs/
In jedem ersten Wort zu preisen sei. —/
Was träumst du?
Achilles.
Ich?
Penthesilea.
Du.
Achilles.
(zerstreut)
Geliebte, mehr,/
Als ich in Worte eben fassen kann./
— — Und auch mich denkst du also zu
entlassen?/ 2090
117
Penthesilea.
Ich weiß nicht, Lieber. Frag’ mich nicht. —
Achilles.
Traun!
Seltsam. —/
(er versinkt in
Nachdenken)
— Doch einen Aufschluß noch gewährst du
mir./
Penthesilea.
Sehr gern, mein Freund. Sei dreist.
Achilles.
Wie
fass’ ich es,/
Daß du gerade mich so heiß verfolgtest?/
Es schien, ich sei bekannt dir.
Penthesilea.
Allerdings.
/
Achilles.
Wodurch?
Penthesilea.
Willst
du der Thörigten nicht lächeln?/
Achilles.
(lächelnd)
Ich weiß nicht, sag’ ich jetzt, wie du.
Penthesilea.
Nun
denn,/
Du sollst’s erfahren. — Sieh ich hatte
schon/
Das heitre Fest der Rosen zwanzigmal/
Erlebt und drei, und immer nur von fern,/ 2100
Wo aus dem Eichenwald der Tempel ragt,/
118
Den frohen Jubelschall gehört, als Ares,/
Bei der Otrere, meiner Mutter, Tod,/
Zu seiner Braut mich auserkohr. Denn die/
Prinzessinnen, aus meinem Königshaus,/
Sie mischen nie aus eigener Bewegung,/
Sich in der blüh’nden Jungfraun Fest; der
Gott,/
Begehrt er ihrer, ruft sie würdig auf,/
Durch seiner großen Oberpriest’rinn Mund./
Die Mutter lag, die bleiche, scheidende,/ 2110
Mir in den Armen eben, als die Sendung/
Des Mars mir feierlich im Pallast erschien,/
Und mich berief, nach Troja aufzubrechen,/
Um ihn von dort bekränzt heranzuführen./
Es traf sich, daß kein Stellvertreter je/
Ernannt noch ward, willkommener den
Bräuten,/
Als die Helenenstämme, die sich dort
umkämpften./
An allen Ecken hörte man erjauchzend,/
Auf allen Märkten, hohe Lieder schallen,/
Die des Hero’nkriegs Thaten feierten:/ 2120
Vom Paris-Apfel, dem Helenenraub,/
Von den geschwaderführenden Atriden,/
Vom Streit um Briseïs ,
der Schiffe Brand,/
Auch von Patroklus Tod,
und welche Pracht/
Du des Triumphes rächend ihm gefeiert;/
Und jedem großen Auftritt dieser Zeit. —/
In Thränen schwamm ich, Jammervolle, hörte/
Mit halbem Ohr nur, was die Botschaft mir,/
In der Otrere Todesstunde, brachte;/
„Laß mich dir bleiben, rief ich, meine
Mutter,/ 2130
Dein Ansehn, brauch’ es heut’ zum
Letztenmal,/
Und heiße diese Frauen wieder gehn.“/
Doch sie, die würd’ge Königinn, die längst/
Mich schon ins Feld gewünscht — denn ohne
Erben/
119
War, wenn sie starb, der Thron und eines
andern/
Ehrgeitz’gen Nebenstammes Augenmerk —/
Sie sagte:
geh,
„geh, [emendiert]
mein süsses Kind! Mars ruft dich!/
Du wirst den Peleïden dir bekränzen:/
Werd’ eine Mutter, stolz und froh, wie ich
—“/
Und drückte sanft die Hand mir, und
verschied./ 2140
Prothoe.
So nannte sie den Namen dir, Otrere?/
Penthesilea.
— Sie nannt’ ihn, Prothoe, wie’s einer
Mutter/
Wohl im Vertrau’n zu ihrer Tochter ziemt./
Achilles.
Warum? Weshalb? Verbeut
dies das Gesetz?/
Penthesilea.
Es schickt sich nicht, daß eine Tochter
Mars/
Sich ihren Gegner sucht, den soll sie
wählen,/
Den ihr der Gott im Kampf erscheinen läßt.
—/
Doch wohl ihr, zeigt die Strebende sich da,/
Wo ihr die Herrlichsten entgegenstehn./
— Nicht, Prothoe?
Prothoe.
So ist’s.
Achilles.
Nun — ?
Penthesilea.
—
Lange weint’ ich,/ 2150
Durch einen ganzen kummervollen Mond,/
120
An der Verblichnen Grab, die Krone selbst,/
Die herrenlos am Rande lag, nicht greifend,/
Bis mich zuletzt der wiederholte Ruf/
Des Volks, das den Pallast mir ungeduldig,/
Bereit zum Kriegeszug, umlagerte,/
Gewaltsam auf den Thron riß. Ich erschien,/
Wehmüthig strebender Gefühle voll,/
Im Tempel Mars, den Bogen gab man mir,/
Den klirrenden, des Amazonenreichs,/ 2160
Mir war, als ob die Mutter mich umschwebte,/
Da ich ihn griff, nichts schien mir
heiliger,/
Als ihren letzten Willen zu erfüllen./
Und da ich Blumen noch, die duftigsten,/
Auf ihren Sarkophag gestreut, brach ich/
Jetzt mit dem Heer der Amazonen auf,/
Nach der Dardanerburg —
Mars weniger,/
Dem großen Gott, der mich dahin gerufen,/
Als der Otrere Schatten, zu gefallen./
Achilles.
Wehmuth um die Verblichne lähmte flüchtig/ 2170
Die Kraft, die deine
junge
Brust sonst ziert./
Penthesilea.
Ich liebte sie.
Achilles.
Nun? Hierauf? —
Penthesilea.
In dem
Maaße,/
Als ich mich dem Skamandros näherte,/
Und alle Thäler rings, die ich
durchrauschte,/
Von dem Trojanerstreite wiederhallten,/
121
Schwand mir der Schmerz, und meiner Seele
gieng/
Die große Welt des heitern Krieges auf./
Ich dachte so: wenn sie sich allzusammt,/
Die großen Augenblicke der Geschichte,/
Mir wiederholten, wenn die ganze Schaar/ 2180
Der Helden, die die hohen Lieder feiern,/
Herab mir aus den Sternen stieg’, ich fände/
Doch keinen Trefflichern, den ich mit Rosen/
Bekränzt’, als ihn, den mir die Mutter
ausersehn —/
Den Lieben, Wilden, Süßen, Schrecklichen,/
Den Überwinder Hektors !
O Pelide!/
Mein ewiger Gedanke, wenn ich wachte,/
Mein ew’ger Traum warst du! Die ganze Welt/
Lag wie ein ausgespanntes Musternetz/
Vor mir; in jeder Masche, weit und groß,/ 2190
War deiner Thaten Eine eingeschürzt,/
Und in mein Herz, wie Seide weiß und rein,
Im Erstdruck ist
der Abstand (verwendetes Spatium) zwischen ›und‹ und
›rein‹ deutlich kleiner als im Rest des Verses, aber immer
noch erkennbar.
/
Mit Flammenfarben jede brannt’ ich ein./
Bald sah ich dich, wie du ihn
niederschlugst,/
Vor Ilium , den
flücht’gen Priamiden;/
Wie du, entflammt von hoher Siegerlust,/
Das Antlitz wandtest, während er die
Scheitel,/
Die blutigen, auf nackter Erde schleifte;/
Wie Priam fleh’nd in deinem Zelt erschien —/
Und heiße Thränen weint’ ich, wenn ich
dachte,/ 2200
Daß ein Gefühl doch, Unerbittlicher,/
Den marmorharten Busen dir durchzuckt./
Achilles.
Geliebte Königinn!
Penthesilea.
Wie
aber ward mir,/
O Freund, als ich dich selbst erblickte — !/
122
Als du mir im Skamandros-Thal erschienst,/
Von den Heroen deines Volks umringt,/
Ein Tagsstern unter bleichen
Nachtgestirnen!/
So müßt’ es mir gewesen sein, wenn er/
Unmittelbar, mit seinen
weißen
Rossen,/
Von dem Olymp herabgedonnert wäre,/ 2210
Mars selbst, der Kriegsgott, seine Braut zu grüssen!
/
Geblendet stand ich, als du jetzt
entwichen,/
Von der Erscheinung da — wie wenn zur
Nachtzeit
/
Der Blitz vor einen Wandrer fällt, die
Pforten/
Elisiums , des
glanzerfüllten, rasselnd,/
Vor einem Geist sich öffnen und
verschließen./
Im Augenblick, Pelid’, errieth ich es,/
Von wo mir das Gefühl zum Busen rauschte;/
Der Gott der Liebe hatte mich ereilt./
Doch von zwei Dingen schnell beschloß ich
Eines,/ 2220
Dich zu gewinnen, oder
umzukommen:
/
Und jetzt ist mir das Süßere erreicht./
— Was blickst du?
(Man hört ein Waffengeräusch in
der Ferne)
Prothoe.
(heimlich)
Göttersohn! Ich bitte dich./
Du mußt dich augenblicklich ihr erklären./
Penthesilea.
(aufbrechend)
Argiver nah’n, ihr Fraun! Erhebt euch!
Achilles.
(sie haltend)
Ruhig!
/
Es sind Gefangne, meine Königinn./
123
Penthesilea.
Gefangene?
Prothoe.
(heimlich zum Achilles)
Es ist
Ulyß, beim Styx!/
Die Deinen, heiß gedrängt von Meroe,
weichen!/
Achilles.
(in den Bart murmelnd)
Daß sie zu Felsen starrten!
Penthesilea.
Sagt!
Was giebt’s?/
Achilles.
(mit erzwungener
Heiterkeit)
Du sollst den Gott der Erde mir gebähren!/ 2230
Prometheus soll von
seinem Sitz erstehn,/
Und dem Geschlecht der Welt verkündigen:/
Hier ward ein Mensch, so hab’ ich ihn
gewollt!/
Doch nicht nach Temiscyra folg’ ich dir,/
Vielmehr du, nach der blüh’nden
Phtya , mir:/
Denn dort, wenn meines Volkes Krieg
beschlossen,/
Führ’ ich dich jauchzend hin, und setze
dich,/
Ich Seeliger, auf meiner Väter Thron./
(Das Geräusch dauert
fort)
Penthesilea.
Wie? Was? Kein Wort begreif’ ich —
Die
Frauen.
(unruhig)
All’
ihr Götter!/
Prothoe.
Neridensohn! Willst du — ?
124
Penthesilea.
Was
ist’s? Was giebt’s denn?/ 2240
Achilles.
Nichts, nichts, erschrick nicht, meine
Königinn,/
Du siehst, es drängt die Zeit, wenn du nun
hörst,/
Was über dich der Götter Schaar verhängt./
Zwar durch die Macht der Liebe bin ich
dein,/
Und ewig diese Banden trag’ ich fort;/
Doch durch der Waffen Glück gehörst du mir;/
Bist mir zu Füssen, Treffliche, gesunken,/
Als wir im Kampf uns trafen, nicht ich dir./
Penthesilea.
(sich aufraffend)
Entsetzlicher!
Achilles.
Ich
bitte dich, Geliebte!/
Kronion selbst nicht
ändert, was geschehn./ 2250
Beherrsche dich, und höre, wie ein Felsen,/
Den Boten an, der dort, wenn ich nicht
irre,/
Mit irgend einem Unheilswort mir naht./
Denn dir, begreifst du wohl, dir bringt er
nichts,/
Dein Schicksal ist auf ewig abgeschlossen;/
Gefangen bist du mir, ein Höllenhund/
Bewacht dich minder grimmig, als ich dich./
Penthesilea.
Ich die Gefangne dir?
Prothoe.
So ist
es Königinn!/
Penthesilea.
(die Hände aufhebend)
Ihr ewigen Himmelsmächt’! Euch ruf’ ich
auf!/
125
Sechzehnter Auftritt.
Ein Hauptmann
(tritt auf) das Gefolge des
Achilles (mit seiner Rüstung)
Die
Vorigen.
Achilles.
Was bringst du mir?
Der Hauptmann.
Entferne dich, Pelide!/ 2260
Das Schlachtglück lockt, das
wetterwendische,/
Die Amazonen siegreich wieder vor./
Auf diesen Platz hier stürzen sie heran,/
Und ihre Loosung ist: Penthesilea!/
Achilles.
(steht auf und reißt sich die
Kränze ab)
Die Waffen mir herbei! Die Pferde vor!/
Mit meinem Wagen rädern will ich sie!/
Penthesilea.
(mit zitternder Lippe)
Nein, sieh’ den Schrecklichen! Ist das derselbe
— ?/
Achilles.
(wild)
Sind sie noch weit von hier?
Der Hauptmann.
Hier
in dem Thal/
Erblickst du ihren goldnen Halbmond schon./
Achilles.
(indem er sich rüstet)
Bringt sie hinweg!
Ein Grieche.
Wohin?
126
Achilles.
Ins
Griechenlager,/ 2270
In wenig Augenblicken folg’ ich euch./
Der
Grieche.
(zu
Penthesilea)
Erhebe dich.
Prothoe.
O meine
Königinn!/
Penthesilea.
(ausser sich)
Mir keinen Blitz, Zeus, sendest du herab!/
Siebenzehnter Auftritt.
Ulysses und Diomedes (mit dem
Heer) Die Vorigen.
Diomedes.
(über die Bühne ziehend)
Vom Platz hier fort, Doloperheld! Vom
Platze!/
Den einz’gen Weg, der dir noch offen
bleibt,/
Den schneiden dir die Frauen eben ab./
Hinweg! (ab)
Ulysses.
Schafft
diese Kön’ginn fort, ihr Griechen./
Achilles.
(zum Hauptmann)
Alexis! Thu mir den Gefallen. Hilf ihr./
Der
Grieche.
(zum Hauptmann)
Sie regt sich nicht.
127
Achilles.
(zu den Griechen, die ihn
bedienen)
Den
Schild mir her! Den Spieß!/
(aufrufend, da sich die
Königinn sträubt)
Penthesilea!
Penthesilea.
O
Neridensohn!/ 2280
Du willst mir nicht nach Themiscyra folgen?/
Du willst mir nicht zu jenem Tempel folgen,/
Der aus den fernen Eichenwipfeln ragt?/
Komm’ her, ich sagte dir noch Alles nicht —/
Achilles.
(nun völlig gerüstet, tritt vor
sie und
reicht ihr die Hand)
Nach Phtya, Kön’ginn.
Penthesilea.
O! —
Nach Themiscyra!/
O! Freund! Nach Themiscyra, sag’ ich dir,/
Wo Dianas Tempel aus den Eichen ragt!/
Und wenn der Seel’gen Sitz in Phtya wäre,/
Doch, doch, o! Freund! nach Themiscyra
noch,/
Wo Dianas Tempel aus den Wipfeln ragt!/ 2290
Achilles.
(indem er sie aufhebt)
So mußt du mir vergeben, Theuerste;/
Ich bau’ dir solchen Tempel bei mir auf./
128
Achtzehnter
Achzehnter
Auftritt.
Meroe,
Asteria (mit dem) Heer der Amazonen
(treten auf)
Die
Vorigen.
Meroe.
Schlagt ihn zu Boden!
Achilles.
(läßt die Königinn fahren und
wendet
sich)
Reiten
sie auf Stürmen?/
Die
Amazonen.
(sich zwischen Penthesilea
und
Achilles eindrängend)
Befreit die Königinn!
Achilles.
Bei
dieser Rechten, sag’ ich!/
(er will die Königinn mit
sich fortziehen)
Penthesilea.
(ihn nach sich ziehend)
Du folgst mir nicht? Folgst nicht?
Die
Amazonen.
(spannen ihre Bogen)
Ulysses.
Fort!
Rasender!/
Hier ist der Ort nicht mehr, zu trotzen. —
Folgt!/
(Er reißt den Achill
hinweg. Alle ab)
129
Neunzehnter Auftritt.
Die Oberpriesterinn der
Diana (mit ihren)
Prie sterinnen. Die Vorigen.
(ohne die Griechen)
Die Amazonen.
Triumph! Triumph! Triumph! Sie ist
gerettet!/
Penthesilea.
(nach einer Pause)
Verflucht sei dieser schändliche Triumph
mir!/
Verflucht jedwede Zunge, die ihn feiert,/
Die Luft verflucht mir, die ihn weiter
bringt!/ 2300
War ich, nach jeder würd’gen Rittersitte,/
Nicht durch das Glück der Schlacht ihm
zugefallen?/
Wenn das Geschlecht der Menschen unter sich,/
Mit Wolf und Tieger nicht, im Streite
liegt:/
Giebt’s ein Gesetz, frag’ ich, in solchem
Kriege,/
Das den Gefangenen, der sich ergeben,/
Aus seines Siegers Banden lösen kann?/
— Neridensohn!
Die Amazonen.
Ihr
Götter, hört’ ich recht?/
Meroe.
Ehrwürd’ge Priesterinn der Artemis,/
Trit näher vor, ich bitte dich —
Asteria.
Sie
zürnt,/ 2310
Weil wir sie aus der Knechtschaft Schmach
befreiten!
/
130
Die
Oberpriesterinn.
(aus dem Gewühl der
Frauen hervortretend)
Nun denn, du setzest würdig, Königinn,/
Mit diesem Schmähungswort, muß ich
gestehn,/
Den Thaten dieses Tags die Krone auf./
Nicht bloß, daß du, die Sitte wenig
achtend,/
Den Gegner dir im Feld der Schlacht
gesucht,/
Nicht bloß, daß du, statt ihn in Staub zu
werfen,/
Ihm selbst im Kampf erliegst, nicht bloß, daß
du/
Zum Lohn dafür ihn noch mit Rosen kränzest:/
Du zürnst auch deinem treuen Volke noch,/ 2320
Das deine Ketten bricht, du wendest dich,/
Und rufst den Überwinder dir zurück./
Wohlan denn große Tochter Tanaïs,/
So bitt’ ich — ein Versehn war’s, weiter nichts
—/
Für diese rasche That dich um Verzeihung./
Das Blut, das sie gekostet, reut mich
jetzt,/
Und die Gefangnen, eingebüßt um dich,/
Wünsch’ ich von ganzer Seele mir zurück./
Frei, in des Volkes Namen, sprech’ ich
dich;/
Du kannst den Fuß jetzt wenden, wie du
willst,/ 2330
Kannst ihn mit flatterndem Gewand ereilen,/
Der dich in Fesseln schlug, und ihm den
Riß,/
Da, wo wir sie zersprengten, überreichen:/
Also ja will’s das heil’ge Kriegsgesetz!/
Uns aber, uns vergönnst du, Königinn,/
Den Krieg jetzt aufzugeben, und den Fuß/
Nach Themiscyra wieder heimzusetzen;/
Wir mindestens, wir können jene Griechen,/
Die dort entfliehn, nicht bitten, stillzustehn,/
Nicht, so wie du, den Siegskranz in der
Hand,/ 2340
Zu unsrer Füsse Staub sie nieder flehn./
(Pause)
131
Penthesilea.
(wankend)
Prothoe!
Prothoe.
Mein Schwesterherz!
Penthesilea.
Ich
bitte dich, bleib bei mir./
Prothoe.
Im Tod, du weißt — — Was bebst du, meine Königinn?
/
Penthesilea.
Das ›s‹ ist nicht kursiv gesetzt. Auf eine
Wiedergabe wird verzichtet.
Nichts, es ist nichts, ich werde gleich mich
sammeln.
/
Prothoe.
Ein großer Schmerz traf dich. Begegn’ ihm
groß./
Penthesilea.
Sie sind verloren?
Prothoe.
Meine
Königinn?/
Penthesilea.
Die ganze junge Prachtschaar, die wir fällten?
—/
Sie sinds durch mich?
Prothoe.
Beruh’ge dich. Du wirst sie/
In einem andern Krieg’ uns wiederschenken./
132
Penthesilea.
(an ihren Busen)
O niemals!
Prothoe.
Meine Königinn?
Penthesilea.
O
niemals!/ 2350
Ich will in ew’ge Finsterniß mich bergen!/
Zwanzigster Auftritt.
Ein Herold (tritt auf)
Die
Vorigen.
Meroe.
Ein Herold naht dir, Königinn!
Asteria.
Was
willst du?/
Penthesilea.
(mit schwacher Freude)
Von dem Peliden! — Ach, was werd’ ich
hören?/
Ach, Prothoe, heiß’ ihn wieder gehn!
Prothoe.
Was
bringst du?/
Der Herold.
Mich sendet dir Achilleus, Königinn,/
Der schilfumkränzten Nereïde Sohn,/
Und läßt durch meinen Mund dir kündigen:/
Weil dich Gelüst’ treibt, als Gefangnen ihn/
Nach deinen Heimathsfluren abzuführen,/
Ihn aber auch hinwiederum Gelüst,/ 2360
133
Nach seinen heimathlichen Fluren dich:/
So fordert er zum Kampf, auf Tod und Leben,/
Noch einmal dich ins Feld hinaus, auf daß/
Das Schwerdt, des Schicksaals ehrne Zung’
entscheide,
/
In der gerechten Götter Angesicht,/
Wer würdig sei, du oder er, von beiden,/
Den Staub nach ihrem heiligen Beschluß,/
Zu seines Gegners Füßen aufzulecken./
Hast du’s auf solchen Strauß zu wagen
Lust?/
Penthesilea.
(mit einer fliegenden
Blässe)
Laß dir vom Wetterstrahl die Zunge lösen,/ 2370
Verwünschter Redner, eh’ du wieder
sprichst!/
Hört’ ich doch einen Sandblock just so
gern,/
Endlosen Falls, bald hier, bald dort
anschmetternd,/
Dem klafternhohen Felsenriff entpoltern./
(zu Prothoe)
— Du mußt es Wort für Wort mir
wiederholen./
Prothoe.
(zitternd)
Der Sohn des Peleus, glaub’ ich, schickt ihn
her,/
Und fordert dich auf’s Feld hinaus;/
Verweig’re kurz dich ihm, und sage, nein./
Penthesilea.
Es ist nicht möglich.
Prothoe.
Meine
Königinn?/
Penthesilea.
Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?/ 2380
134
Prothoe.
Sag’ ich dem Mann gleich: nein, und laß ihn
gehn?/
Penthesilea.
Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?/
Prothoe.
Zum Kampf ja, meine Herrscherinn, so sagt’
ich./
Penthesilea.
Der mich zu schwach weiß, sich mit ihm zu messen,
/
Der ruft zum Kampf mich, Prothoe, ins Feld?/
Hier diese treue Brust, sie rührt ihn erst,/
Wenn sie sein scharfer Speer
zerschmetterte?/
Was ich ihm zugeflüstert, hat sein Ohr/
Mit der Musik der Rede bloß getroffen?/
Des Tempels unter Wipfeln denkt er nicht,/ 2390
Ein steinern Bild hat meine Hand bekränzt?/
Prothoe.
Vergiß den Unempfindlichen.
Penthesilea.
(glühend)
Nun
denn,/
So ward die Kraft mir jetzo, ihm zu stehen:/
So soll er in den Staub herab, und wenn/
Lapiten und Giganten ihn beschüzten!/
Prothoe.
Geliebte Königinn —
135
Meroe.
Bedenkst du auch?/
Penthesilea.
(sie unterbrechend)
Ihr sollt all’ die Gefangnen wieder haben!/
Der Herold.
Du willst im Kampf dich — ?
Penthesilea.
Stellen will ich mich:/
Er soll im Angesicht der Götter mich,/
Die Furien auch ruf’ ich herab, mich
treffen!/ 2400
(Der Donner rollt)
Die Oberpriesterinn.
Wenn dich mein Wort gereitzt, Penthesilea,/
So wirst du mir den Schmerz nicht —
Penthesilea.
(ihre Thränen
unterdrückend)
Laß,
du Heilige!/
Du sollst mir nicht umsonst gesprochen
haben./
Meroe.
Ehrwürd’ge Priesterinn, dein Ansehen
brauche./
Die Oberpriesterinn.
Hörst du ihn, Königinn, der dir zürnt?
Penthesilea.
Ihn
ruf’ ich/
Mit allen seinen Donnern mir herab!/
Erste
Oberste.
(in Bewegung)
Ihr Fürstinnen —
136
Seite 136 im
Erstdruck fälschlich als Seite ›361‹ paginiert.
Die Zweite.
Unmöglich ist’s!
Die Dritte.
Es
kann nicht!/
Penthesilea.
(mit zuckender Wildheit)
Herbei, Ananke, Führerinn der Hunde!/
Die erste Oberste.
Wir sind zerstreut, geschwächt —
Die Zweite.
Wir
sind ermüdet —/
Penthesilea.
Du, mit den Elephanten, Thyrroe!
Prothoe.
Königinn!
/ 2410
Willst du mit Hunden ihn und Elephanten —/
Penthesilea.
Ihr Sichelwagen, kommt, ihr blinkenden,/
Die ihr des Schlachtfelds Erndefest
bestellt,/
Kommt, kommt in gräul’gen
Schnitterreih ’n herbei!/
Und ihr, die ihr der Menschen Saat
zerdrescht,/
Daß Halm und Korn auf ewig untergehen,/
Ihr Reuterschaaren, stellt euch um mich
her!/
Du ganzer Schreckenspomp des Kriegs, dich ruf’
ich,
/
Vernichtender, entsetzlicher, herbei!/
(Sie ergreift den großen Bogen aus einer Amazone
Hand)
137
Amazonen.
(mit Meuten gekoppelter Hunde.
Späterhin
Elephanten, Feuerbrände, Sichelwagen
u. s. w.)
Prothoe.
Geliebte meiner Seele! Höre mich!/ 2420
Penthesilea.
(sich zu den Hunden
wendend)
Auf, Tigris, jetzt, dich brauch’ ich! Auf
Leäne!/
Auf, mit der Zoddelmähne du, Melampus!/
Auf, Akle, die den Fuchs erhascht, auf
Sphynx,/
Und der die Hirschkuh übereilt, Alektor,/
Auf, Oxus, der den Eber niederreißt,/
Und der dem Leuen nicht erbebt, Hyrkaon!/
(Der Donner rollt
heftig)
Prothoe.
O! Sie ist ausser sich — !
Erste Oberste.
Sie
ist wahnsinnig!/
Penthesilea.
(kniet nieder, mit allen
Zeichen
des Wahnsinns, während
die Hunde
ein gräßliches
Geheul anstimmen)
Dich, Ares , ruf’ ich
jetzt, dich Schrecklichen,/
Dich, meines Hauses hohen Gründer, an!/
Oh! — — deinen erznen Wagen mir herab:/ 2430
Wo du der Städte Mauern auch und Thore/
Zermalmst, Vertilgergott, gekeilt in
Straßen,/
Der Menschen Reihen jetzt auch
niedertritst;/
Oh! — — deinen erznen Wagen mir herab:/
Daß ich den Fuß in seine Muschel setze,/
138
Die Zügel greife, durch die Felder rolle,/
Und wie ein Donnerkeil aus Wetterwolken,/
Auf dieses Griechen Scheitel niederfalle!/
(sie steht auf)
Die erste Oberste.
Ihr Fürstinnen!
Die Zweite.
Auf!
Wehrt der Rasenden!/
Prothoe.
Hör, meine große Königinn, mich!
Penthesilea.
(indem sie den Bogen
spannt)
Ei,
lustig!/ 2440
So muß ich sehn, ob mir der Pfeil noch
trifft./
(sie legt auf Prothoe
an)
Prothoe.
(niederstürtzend)
Ihr Himmlischen!
Eine
Priesterinn.
(indem sie sich rasch hinter
die
Königinn stellt)
Achill ruft!
Eine
Zweite.
(eben so)
Der
Pelide!/
Eine Dritte.
Hier steht er hinter dir!
Penthesilea.
(wendet sich)
Wo?
139
Die erste Priesterinn.
War
ers nicht?/
Penthesilea.
Nein, hier sind noch die Furien nicht
versammelt.
/
— Folg’ mir, Ananke! Folgt, ihr Anderen!/
(ab mit dem ganzen Kriegstroß unter heftigen
Gewitter schlägen)
Meroe.
(indem sie Prothoe
aufhebt)
Die Gräßliche!
Asteria.
Fort!
Eilt ihr nach, ihr Frauen!/
Die
Oberpriesterinn.
(leichenbleich)
Ihr Ew’gen! Was beschloßt ihr über uns?/
(Alle ab)
Einundzwanzigster Auftritt.
Achilles, Diomedes
(treten auf. Späterhin)
Ulysses
(zuletzt) Der Herold.
Achilles.
Hör’, thu mir den Gefallen, Diomed,/
Und sag’ dem Sittenrichter nichts, dem
grämlichen/
Odyß, von dem, was ich dir vertraue;/ 2450
Mir widersteht’s, es macht mir Übelkeiten,/
Wenn ich den Zug um seine Lippe sehe./
140
Diomedes.
Hast du den Herold ihr gesandt, Pelide?/
Ist’s wahr? Ists wirklich?
Achilles.
Ich
will dir sagen, Freund:/
— Du aber, du erwiederst nichts, verstehst
du?/
Gar nichts, kein Wort! — Dieß wunderbare
Weib,/
Halb Furie, halb Grazie, sie liebt mich —/
Und allen Weibern Hellas
ich zum Trotz,/
Beim Styx! beim ganzen Hades! — Ich sie
auch./
Diomedes.
Was!
Achilles.
Ja.
Ia. [nicht emendiert]
Doch eine Grille, die ihr heilig,/ 2460
Will, daß ich ihrem Schwerdt im Kampf
erliege;/
Eh’ nicht in Liebe kann sie mich umfangen./
Nun schickt’ ich —
Diomedes.
Rasender!
Achilles.
Er
hört mich nicht!/
Was er im Weltkreis noch, so lang er lebt,/
Mit seinem blauen Auge nicht gesehn,/
Das kann er in Gedanken auch nicht fassen./
Diomedes.
Du willst — ? Nein, sprich! Du willst — ?
141
Achilles.
(nach einer Pause)
— Was
also will ich?/
Was ist’s, daß ich so Ungeheures will?/
Diomedes.
Du hast sie in die Schranken bloß
gefordert,/
Um ihr — ?
Achilles.
Beim
wolkenrüttelnden Kroniden ,/ 2470
Sie thut
mir nichts, sag’ ich! Eh’ wird ihr Arm,/
Im Zweikampf gegen ihren Busen wüthen,/
Und rufen: „Sieg!“ wenn er von Herzblut
trieft,/
Als wider mich! — Auf einen Mond bloß will ich
ihr,
/
In dem, was sie begehrt, zu Willen sein;/
Auf einen oder zwei, mehr nicht: das wird/
Euch ja den alten, meerzerfreßnen
Isthmus
Istmus [nicht emendiert]
Istmus [nicht emendiert]
Emendiert entsprechend Vers
266 und der diesbezgl.
›Verbesserung‹.
/
Nicht gleich zusammenstürzen! — Frei bin ich
dann,/
Wie ich aus ihrem eignen Munde weiß,/
Wie Wild auf Haiden
wieder; und folgt sie mir,/ 2480
Beim Jupiter! ich wär’ ein Seeliger,/
Könnt’ ich auf meiner Väter Thron sie
setzen./
Ulysses.
(kommt)
Diomedes.
Komm her, Ulyß, ich bitte dich.
Ulysses.
Pelide!
/
Du hast die Königinn ins Feld gerufen;/
Willst du, ermüdet, wie die Schaaren sind,/
Von Neu’m das oftmißlung’ne Wagstück
wagen?/
142
Diomedes.
Nichts, Freund, von Wagestücken, nichts von Kämpfen;
/
Er will sich bloß ihr zu gefangen geben./
Ulysses.
Was?
Achilles.
(das Blut schießt ihm ins
Gesicht)
Thu mir
dein Gesicht weg, bitt’ ich dich!/
Ulysses.
Er will — ?
Diomedes.
Du
hörst’s, ja! Ihr den Helm zerkeilen;/ 2490
Gleich einem Fechter, grimmig sehn, und
wüthen;
/
Dem Schild aufdonnern, daß die Funken
sprühen,/
Und stumm sich, als ein Überwundener,/
Zu ihren kleinen Füssen niederlegen./
Ulysses.
Ist dieser Mann bei Sinnen, Sohn des
Peleus?/
Hast du gehört, was er — ?
Achilles.
(sich zurückhaltend)
Ich
bitte dich,/
Halt
deine Oberlippe fest, Ulyß!/
Es steckt mich an, bei den gerechten
Göttern,/
Und bis zur Faust gleich zuckt es mir
herab./
143
Ulysses.
(wild)
Bei dem Kozyth , dem
feurigen! Wissen will ich,/ 2500
Ob meine Ohren hören, oder nicht!/
Du wirst mir, Sohn des
Tydeus , bitt’ ich, jetzt,/
Mit einem Eid, daß ich auf’s Reine komme,/
Bekräftigen, was ich dich fragen werde./
Er will der Königinn sich gefangen geben?/
Diomedes.
Du hörst’s!
Ulysses.
Nach
Themiscyra will er gehn?/
Diomedes.
So ist’s.
Ulysses.
Und
unseren Helenenstreit,/
Vor der Dardanerburg, der Sinnentblößte,/
Den will er, wie ein Kinderspiel, weil sich/
Was anders Buntes zeigt, im Stiche lassen?/ 2510
Diomedes.
Beim Jupiter! Ich schwör’s.
Ulysses.
(indem er die Arme
verschränkt)
— Ich
kann’s nicht glauben./
Achilles.
Er spricht von der Dardanerburg.
Ulysses.
Was?
144
Achilles.
Was?
/
Ulysses.
Mich dünckt, du sagtest was.
Achilles.
Ich?
Ulysses.
Du!
Achilles.
Ich
sagte:/
Er spricht von der Dardanerburg.
Ulysses.
Nun,
ja!/
Wie ein Beseßner fragt’ ich, ob der ganze/
Helenenstreit, vor der Dardanerburg,/
Gleich einem Morgentraum, vergessen sei?/
Achilles.
(indem er ihm näher trit)
Wenn die Dardanerburg,
Laertiade ,/
Versänke, du verstehst, so daß ein See,/
Ein bläulicher, an ihre Stelle träte;/ 2520
Wenn graue Fischer, bei dem Schein des
Monds,/
Den Kahn an ihre Wetterhähne knüpften;/
Wenn im Pallast des Priamus ein Hecht/
Regiert’, ein Ottern- oder Ratzenpaar/
Im Bette sich der Helena umarmten:/
So wär’s für mich gerad’ so viel, als
jetzt./
Ulysses.
Beim Styx! Es ist sein voller Ernst,
Tydide !/
145
Achilles.
Beim Styx! Bei dem
Lernäersumpf ! Beim Hades!/
Der ganzen Oberwelt und Unterwelt,/
Und jedem dritten Ort: es ist mein Ernst;/ 2530
Ich will den Tempel der Diana sehn!/
Ulysses.
(halb ihm ins Ohr)
Laß ihn nicht von der Stelle, Diomed,/
Wenn du so gut willst sein.
Diomedes.
Wenn
ich — ich glaube!/
Sei doch so gut, und leih’ mir deine Arme./
Der
Herold.
(trit auf)
Achilles.
Ha! Stellt sie sich? Was bringst du? Stellt sie
sich?
/
Der Herold.
Sie stellt sich, ja, Neridensohn, sie naht
schon;/
Jedoch mit Hunden auch und Elephanten,/
Und einem ganzen wilden Reutertroß:/
Was die beim Zweikampf sollen, weiß ich
nicht./
Achilles.
Gut. Dem Gebrauch, war sie das schuldig. Folgt
mir!
/ 2540
— O sie ist listig, bei den ewigen Göttern!/
— — Mit Hunden, sagst du?
146
Der Herold.
Ja.
Achilles.
Und
Elephanten?/
Der Herold.
Daß es ein Schrecken ist, zu sehn, Pelide!/
Gält’ es, die Atreïden
anzugreifen,/
Im Lager vor der Trojerburg, sie könnte/
In keiner
finstrern
finstrem
Gräuelrüstung nahn./
Achilles.
(in den Bart)
Die fressen aus der Hand, wahrscheinlich —
Folgt mir!
/
— O! Die sind zahm, wie sie.
(ab mit dem Gefolge)
Diomedes.
Der
Rasende!/
Ulysses.
Laßt uns ihn knebeln, binden — hört ihr
Griechen!/
Diomedes.
Hier nah’n die Amazonen schon — hinweg!/ 2550
(Alle ab.)
147
Zweiundzwanzigster Auftritt.
Die Oberpriesterinn
(bleich im Gesicht) mehrere
andere Priesterinnen und
Amazonen.
Die Oberpriesterinn.
Schafft Stricke her, ihr Frauen!
Die erste Priesterinn.
Hochwürdigste!
/
Die Oberpriesterinn.
Reißt sie zu Boden nieder! Bindet sie!/
Eine Amazone.
Meinst du die Königinn?
Die Oberpriesterinn.
Die
Hündinn, mein’ ich!/
— Der Menschen Hände bänd’gen sie nicht
mehr./
Die Amazonen.
Hochheil’ge Mutter! Du scheinst ausser dir./
Die Oberpriesterinn.
Drei Jungfraun trat sie wüthend in den
Staub,/
Die wir geschickt, sie aufzuhalten; Meroe,/
Weil sie auf Knien sich in den Weg ihr
warf,/
Bei jedem süssen Namen sie beschwörend,/
Mit Hunden hat sie sie hinweggehetzt./ 2560
Als ich von fern der Rasenden nur nahte,/
Gleich einen Stein, gebückt, mit beiden
Händen,/
Den grimmerfüllten Blick auf mich
gerichtet,/
148
Riß sie vom Boden auf — verloren war ich,/
Wenn ich im Haufen nicht des Volks
verschwand./
Die e